Samstag, 21. März 2009

The Scarabeus Dream – 19.3.2008 – rhiz/Wien


Ein burgenländisches Duo, Hand in Hand mit dem Exzess. Eine hochexplosive Mischung, einzuordnen irgendwo zwischen Schreikrampf, einer Portion Gefühl, einem Tinitus und der Methode Kopf durch die Wand.

Zufall?, Schicksal?, Trübsal?


Es ist schon interessant. Da gibt es Bands in Österreich die einem vom Namen her schon seit Jahren ein Begriff sind, seit geraumer Zeit auf dem endloslangen Wunschzettel der must see live - acts stehen, und dann ist es erst wieder der Zufall und nicht die Eigeninitiative, welcher einem in den Genuss eines solchen bringt. Dieses Zufalls- Muster zog sich durch den ganzen gestrigen Donnerstag, bescherte mir ein interessantes Wiedersehen hier und ein erstmaliges Treffen eben genau hier – speziell bei Letzterem stellte sich nach kurzem Gespräch die den ganzen Tag herbeigesehnte innerliche Ruhe ein – denn es stimmt schon: Ohne konkreten Plan zu agieren ist jenseits von leicht. Aber bleibt einem denn wirklich etwas anderes übrig wenn der Interessens – Rooster, in Stockwerken gesehen, nicht dem eines Blockhauses, sondern eher dem eines Wolkenkratzers gleicht? Die Antwort: Nein! – schon gar nicht wenn man weiß, dass die Musik DAS Medium für konstruktive Kommunikation ist.

Im Auge des Hurrikans

Das rhiz war wieder einmal brechend voll. Und trotzdem unterscheidet sich die Atmosphäre dort im Wesentlichen von der eines anderen, ebenfalls voll gerammelten, Gürtellokals. rhiz ist Familie, oder zumindest fühlt sich das, obwohl kein Stammgast, für mich immer so an. Ich war überrascht, welch regen Zustrom The Scarabeus Dream auslösten. Da war mir wohl einiges entgangen in der letzten Zeit. Wenn man sich jedoch die Songs von deren Debüt Album Sample your heartbeat to stay alive anhört, so ist diese Frage vom Tisch, dafür eine Andere präsent. Was macht diese Band, die es vorzieht ihre Umsetzung von Musik auf ein Schlagzeug und ein Keyboard zu reduzieren, hier? Um diese auch perfekt an den Mann zu bringen benötigt es nämlich Folgendes – perfekten Sound. Gibt es diesen nicht, so kann es schon mal passieren, dass man ein wenig desorientierter von einem Gig nach Hause schlürft als erwartet. In den beiden sympathischen Gürtelbögen gibt es diesen Sound, wenn es sich um Hannes Moser am Schlagzeug handelt, nur bedingt. Macht aber nichts. Hier wurden sowieso auf eine andere Art und Weise unsere Köpfe angezapft.
Den Beginn machte eine kleine MacBook – Session. Sowohl der Drummer, als auch Bernd Supper am E-Piano pauschten sich über Minuten hinweg gegenseitig auf. Die abgerufenen, selbstprogrammierten, Sounds wirkten entspannend, so als ob man fasziniert durch eine Eishöhle wandern würde. Und ein gutes Konzert beginnt nun mal damit, den Zuhörer zu fesseln, ihm Bilder aufzuzwingen. Musik als das Kreativzentrum anregende Mittel. Das Ganze türmte sich in einem sehr fein angelegten Spannungsbogen in immer höhere Sphären auf, bis wir schlussendlich von einer Horde laut krabbelnder Mistkäfer überrannt wurden, welche sich in Windeseile ans Werk machten ihre Gefräßigkeit an unseren Kopfinhalten zu stillen. Die Band startete sofort zum Gegenangriff, indem sie versuchten mit hektischem, Getrommel und den orchestralen, dem Keyboard entsprungenen, Melodien, gepaart mit heftigem Geschrei, gegen zu wirken. Vergeblich. Stattdessen hatte es eher den Anschein, dass beide offensichtlich von der, dem aufgezeichneten Spinnennetz am Drumkit entflohenen, Tarantel gestochen wurden. Innerhalb von Sekunden mutierten die zwei, zuvor eher ruhig und in Gedanken versunkenen wirkenden Burschen, zu sich aus der Hand gebenden, hyperaktiven und mit schweren Gesichtslähmungen bzw. Schüttelkrämpfen kämpfenden Wesen. Es war unglaublich mit welcher Entschlossenheit, oder besser gesagt, Rücksichtslosigkeit, das Duo ihre Message unter die Menge brachte. Wie ein Hurrikan fegten sie und ihre Musik alles um, was sich nicht schleunigst aus dem Schussfeld begab. Dieses Verlangen hatte aber erstens keiner, und zweitens, wäre es an diesem Ort auch nicht möglich gewesen. Unpackbar welche Leistungsexplosion da auf der Bühne stattfand. Der Drummer wirkte wie eine Maschine mit durchgebrannter, normalerweise aber alles steuernder, Platine, die Hände wild herumwirbelnd, fast einer Krake gleichend. Sein Konterpart - ein sich permanent die Haare zerraufender, auf das Piano einhämmernder Ferngesteuerter der selbigen Sorte. Und auch seine so unschuldig wirkende, den zerrissenen Fetzen Stoff zusammenhaltende Schmetterlingsbrosche, konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier um zwei Freaks handelte, die offensichtlich eine ganz eigene Art und Weise gefunden hatten, ihre Gedanken in Musik zu fassen. Eine Wunderbare, wenn diese auch nicht so klar zu erkennen war an diesem Abend. Da wurden halbe Songs angekündigt, nur um uns im selben Satz auszurichten, dass sie trotzdem 15 Minuten dauern würden, alle Ventile geöffnet an denen jeglicher Frust über die freunderlwirtschaften betreffende Gesamtsituation in Österreich entweichen konnte und in, wie auch ich finde, Snapcase´scher Manier gescreamt. Dazu gab es heftige Snarewirbel und ein Piano, das uns auch mit Melancholie zu verwöhnen wusste. Zwischendrin immer wieder Nummern ohne Geknüppel, dafür mit einem auf seiner Bassdrum herum balancierenden, das Mikro stets im Anschlag habenden, Drummer. Ich muss gestehen, ich war nicht ganz vorbereitet auf das, was mich hier erwartet hatte. Nach durchhören der Songs hatte ich einfach ein komplett anders Bild von dieser Band im Kopf. Noch dazu wirkte auf deren Homepage alles so perfekt. Die Art und Weise wie mich die Photos anzusprechen wussten, das geniale schwarz/weiß Video zu deren Song „strollerstore“ und nicht zuletzt, die heftige Mischung aus Hardcore Geschreie in Kombination mit den so sauber wirkenden, sich im Ohr festsetzenden Melodien des Pianos. Für mich fühlte sich das alles so an, als ob es sich um eine andere Band handelte. Und auch wenn die so heftig klirrenden, mit einer Brachialität und den, dem ersten Anschein nach ohne System, verdroschenen Becken viel vom erwarteten Klangerlebnis zu nichte machten, so muss ich all jene, die mir ständig vorhalten nie etwas Negatives zu schreiben, auch diesmal wieder enttäuschen. Es war bei weitem nicht der beste Gig, aber trotzdem fühlte ich mich danach näher bei der Band. Was auf der kleinen Bühne geboten wurde, dass entschädigte nämlich für vieles. Es ist lange Zeit her, dass ich eine österreichische Formation mit so viel Herz und Bereitschaft weit über die Grenzen zu gehen, bei der Sache gesehen hatte. Noch dazu war es garantiert das erste Mal, dass ich mitterlebte, wie sich ein Protagonist aufgrund seiner nicht unter Kontrolle habende Reflexe und Zuckungen, eine Platzwunde auf der Stirn zuzog – verursacht durch die nicht länger weiß erscheinenden Tasten des Yamaha Stage Pianos. Und auch wenn mir während des Konzerts dieses, den Kopf in die rhiz-Ziegelwand rammen, das von permanentem Hecheln begleitete nach Luft ringen des Drummers, das auf dem Drumkit herum hüpfen, dieses ständige mit sich selbst reden gepaart mit Schlägen auf den Hinterkopf und die eher vagen, meine Gedanken nicht befriedigenden Statements, als aufgesetzt wirkten, so zog ich danach trotzdem eine sehr positive Bilanz.

Aus und Vorbei

Bis zum Moment des Unfalls war es ein Konzert, dass stets nach vorne pushte. Nach der ein paar Minuten andauernden Erstversorgungspause, die vom nicht minder beeindruckten Chef des Hauses persönlich durchgeführt wurde, riss logischerweise ein bisschen der Faden. Es wurden noch ein paar Nummern dargeboten, und auch wenn Bernd Supper seine Tasten nicht mehr als Objekte, an denen man seine überschüssigen Gefühle abreagieren konnte ansah, so rastete Hannes Moser beim letzten Song nochmal so richtig aus und verdrosch das schon in alle Himmelsrichtungen verteilte Schlagzeug solange, bis die Becken in die entgegengesetzte Richtung schauten. Im Anschluss manövrierte er sich auch noch selbst eine Ecke wo er dann abwesend, und sichtlich ausgepowert, herumlag. Mir gefiel das Ganze und ich werde so etwas mein Leben lang unterstützen, denn es muss nichts befreiender wirken, als wenn man sich die Möglichkeit schafft, in eine Kunstfigur auszubrechen und sich bei Bedarf selbst zu reseten. Obwohl ich diese Band jetzt theoretisch von meiner Wunschliste streichen könnte, werde ich sie mir mit Sicherheit noch das eine oder andere Mal in einem größeren Umfeld anschauen. Bis dahin wird es vielleicht auch schon neues veröffentlichtes Material geben.

Nantes

Während die Bühne wieder auf Vordermann gebracht wurde, schmiss Bernhard Fleischmann schon wieder feinste Vinylware auf die Technics. Und wie so oft in letzter Zeit, schloss sich ein weiterer Kreis – diesmal mit Beirut´s Nantes. Dann ging es mit dem Bike durch die kalte Nacht bergab, für B.Fleischmann wartete hingegen der Frühling. Viel Spaß im Sala BeCool von dieser Stelle.

Photo: copyright by The Scarabeus Dream

PAZ!

*thez*

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