Freitag, 10. April 2009

Plexus Solaire (WUK – 4.4.) & The Virgins (FLEX – 5.4.)


Zwei komplett verschiedene Gruppierungen bescherten mir in den vergangenen Tagen genau das, wovon ich mir geschworen hatte nie explizit darüber zu schreiben – meinen POP, ein Angstwort.

P wie Populär:

Ich würde mich selbst anlügen wenn ich behaupten würde Populärmusik seit Jahren in einer gewissen Art und Weise zu leben, denn wann immer es nämlich zu dieser Wortkonstellation kommt schreit mein Hauptschulgedächtnis laut auf und mir schießt meine erste, im vom Prof. Schieder gemanagten Schallplattenklub erworbene, Maxi –CD ein. Klar, die Joyride – Kassette von Herrn Franz gab es schon vorher, aber ab sofort regierte das hymnische Go West der Pet Shop Boys den Nachmittag. Das genau dieses britische Duo sechzehn Jahre nach diesem Schlüsselerlebnis als die Verkörperung des Pop angesehen wird und vom Cover eines Magazins für Popkultur strahlt ist die eine Sache, dass ich das Heroentum um diese beiden Gestalten jetzt sogar verstehe und noch dazu gar nicht genug kriegen kann von deren neuer Platte, das ist die Andere. An sowas gedacht hatte ich damals mit Sicherheit allerdings nicht.
Es wäre aber auch durchaus gelogen, wenn ich das Gegenteil behaupten würde. Die Zeit verstreicht ja nicht ohne (positive) Nebenwirkungen. Von da her ist das poppige Wort schon auf ein Mehr von Bereichen und Gruppen anwendbar als die in meinem damaligen Spatzenhirn mit Horizont von der Neustift bis zur Stempfelbachbrücke reichenden. Blenden wir die Problematik, die sich mir auch heutzutage noch auftut wenn es darum geht dieses Wort in den richtigen Kontext einzubinden, mal aus. Meiner Meinung nach zu viel Heckmeck um drei Buchstaben, die eine so üppige Landschaft abdecken welche sich von Provinzkaff – Barbies bis hin zur fünfundvierzigsten Straße erstreckt.

O wie Odyssee:

Das ist es nämlich, was ich seit Wochen in Wien praktiziere. Endloses Durchstreifen der Gassen mit den öffentlichen Citybikes. Ob ich mich trotz Vollgummireifen jetzt als Radfahrer sehe? - Und ob, denn mit diesen Geräten zählt jeder Kilometer doppelt! Für die Berggasse gibt’s sogar Extrabonus. Das dann am vergangenen Samstag im Wiener WUK das zweite mal ein Fest zu Ehren der Fahrrades über die Bühne ging, das passte mir somit fein ins Programm. Also schnell auf den Drahtesel und brav nach Uptown gestrammpelt. Plexus Solaire, eine österreichisch französische Erwachsenen - Combo lieferten uns den Soundtrack dazu. Tour de France mitten in Wien. Herrlich. Und in Zeiten wie diesen sicherlich die sauberste Veranstaltung in dieser Sparte. Wo anders werden Geständnisse ausgepackt, Leute aufgeschmissen und generell im ganzen Sport rein Haus gemacht. In der Werk- und Kulturwerkstatt scheuten die Austro-Franzosen aber trotzdem nicht davor zurück uns einen aufputschenden Cocktail zu kredenzen. Legal erworben und mit Stempel besiegelt. Die Zutaten nicht Epo, Dynepo, Wachstumshormone oder sonstiger Schwachsinn, sondern ein mit Fingerspitzengefühl groovig dahingezupfter Bass, ein effizientes Schlagwerk, eine Lead und eine Solo Gitarre. Dazu noch der wunderbarste französische Chanson, ein bisschen Mundharmonika, ein Tambourine und fertig ist das Pop-Präperat. Nebenwirkungen sind uns nur positive bekannt. Die können aber langwierig sein und mitunter zu einem Dauertraumtaumel führen. Sollte dieser Fall eintreten, dann bitte das Rad am nächstbesten Masten anketten, sich eine Zigarette wuzeln, diese mit einem Streichholz zum erglühen bringen, tief inhalieren, sich den holprigen, vom wunderbaren achtzehnten Bezirk kommenden, Kopfsteinpflaster der Währinger-Straße anpassen und so instinktiv herumschlendern, dass einem nicht die letzte Bim in die Mange nimmt. Ich war schon sehr positiv überrascht, was mir da geboten wurde. Immerhin hatte ich mit der Vorbereitung auf dieses Event eine Stunde vor Startschuss begonnen. Der Kurs war mir bis dahin unbekannt, die Routeninformation war in der Sprach der Könige, die sich nach dem erstmaligen zu Gemüte führen einstellende fabelhafte Welt von Paris omnipräsent und alles führte zu einer aphrodisierenden Wirkung anstatt zu nötiger Konzentration. Wie so oft musste ich auch diesmal ohne mein einköpfiges, die Kunst des Radfahrens bestens verstehendes, Serviceteam auskommen. Nach Beendigung dieser chilligen Samstagsetappe wurde mir jedoch deren Unterstützung fürs nächste Mal zugesichert. Auf Bergwertungen wartete man, sofern jemand das tat, vergebens. Hier ging es geradeaus, vorbei an wohlduftenden Bäckereien, an Boule spielenden Greisen, an Käsereien, Fiakern, an am Straßenrand befindliche Blumenverkäufer, an rauschenden Flüssen, entlang von mit Pappeln gesäumten Alleen und, permanent frühlingshaften 22 Grad gepaart mit einer leicht abkühlenden Brise. Es gab den einen oder anderen Massensprint und vor allem die Teilstrecke Malheureux bestach durch ihren ins unendliche abgleitenden Blick aufs offene Meer. Ein Traum. Das Ziel erreichten alle, ein kollektives Einfahren in bestgelauntester Manier.
Vielleicht sollte sich der Leitungssport einfach ein bisschen an der Musik und deren Art und Weise ein ehrliches Gefühl zu transportieren, orientieren. Wir sollten das sowieso immer machen, dann würden sich viele Sportarten nicht auf diesem utopisch hohen Leistungslevel, welches sauber offensichtlich nicht mehr erklommen werden kann, befinden. We have to consume less – denn auch das lässt sich auf einen Themenbereich von Zigaretten bis Erwartungshaltungen anwenden. Nur bei französischem Pop darf es bitte ruhig noch ein bisschen mehr sein.

P wie Purzeltag:

Nachdem der samstäglich ausgelöste Popdiskurs mit mir selbst dann endgültig an Fahrt angenommen hatte, stolperte ich wie so oft auch noch über einen Bericht des Mister NYC. Von einer mir ebenfalls nur von Hörensagen bekannten Brooklyner Gang war da die Rede. The Virgins. Zugegeben, ein Bandname mit dazugehörigem Albumcover, das ich normalerweise im Musikregal links liegen lasse. Nachdem der Artikel aber mit den bei mir alle Alarmglocken aufklingeln lassenden S-und K-Wörtern“ garniert war, musste ich förmlich eine soundtechnische Kostprobe nehmen. Und das obwohl mir vor allem zweitere einen deftigen Knacks mit deren gelieferter Aktion im Rahmen ihrer Spanien Tour vor ein paar Wochen zugefügt hatten, von dem ich mich immer noch nicht ganz erholt hatte.
Dass ich mich dann gleich beim ersten Bissen dermaßen verschluckte, in Ohnmacht fiel und mein Wohnungskollege mir mit einem White Russian zuerst auf die Beine und dann auch noch zappelig in die Sonntagstreter helfen musste, damit konnte natürlich niemand rechnen. Nicht schlecht was da so meine Gehörgänge hinuntergeschlungen wurde. Im Normalfall funktionieren solche Aktionen bei mir gerade überhaupt nicht, offensichtlich waren aber meine persönlichen Pop – Disco – Gute- Laune - Tage angebrochen. Das sich das allerdings immer blitzartig ändern kann, das bekam ich ein paar Stunden nach dem Konzert zu spüren. Seither gibt’s halt zur Abwechslung wieder schwere Riffs und knackige Zwei –Viertler. Hauptsache NYC steht auf dem Unterschlupf. Das Leben, oder wie immer man dazu sagt, ist wahrhaftig verrückt……
Als ich dann den Altersschnitt auf dem im Flex stattfindenden Kindergeburtstag gewaltig über den Haufen warf wurde mir bewusst, irgendeinen Hype verpasst zu haben. Egal, Hauptsache junge Leute interessieren sich wieder für Livemusik. Und das Niveau von The Virgins ist zum Einstieg ja nicht gerade ein Fehler. Vielleicht lag es auch nur am Support. Den hatten vier Niederösterreichische Jungspunde über, welche auf den Namen FAMP hörten. Sie erfüllten zwar alle derzeit im Jugendbereich zu erwartende Klischees, spielten aber ein routiniertes Set das sich irgendwo zwischen der Melancholie der Kooks, dem hektischen Schlagwerk der Arctic Monkeys, und, obwohl jetzt schon zwei große Namen gefallen sind, der verraunzten Stimme von Matthew Bellamy einpendelte. Durchaus eine Partie mit Potential und einem Gefühl für hitverdächtige, eingängige Melodien. Das sowas auch noch aus dem Wiener Umfeld kommt und in Zukunft jede Menge Stagetime vor sich hat, das ist es auf jeden Fall Wert dran zu bleiben.

L wie Lower East Side:

Ich kann nicht wirklich beschwören ob ich die New Yorker, nachdem ich erstmals in deren fruchtig frische Klangwelt eintauchte, jemals in einem Gedankenzug, und wäre er noch so flüchtig gewesen, mit ihren Stadtgenossen erwähnt hätte. Jetzt, nach mehrmaligem Hören des Albums und dem Live Erlebnis würde ich das Ganze jedoch nicht mehr unterschreiben. Wie so Viele, hat auch Sänger Donald Cumming eine unikate Weise seine Lyrics hinauszuposaunen. Seine Wurschtigkeits –Passagen, z.B. im Song Fernando Pando, könnten schon auch irgendwo auf First Impressions of Earth zu finden gewesen sein und ließen mir daher kurz Julian Casablancas vor mein geistiges Auge treten. Allerdings exklusive Heinekenflasche an den Lippen. Was eine Erwähnung alles ausmacht. Witzig. Ansonsten zog er es vor ständig in leichtem Tanzschritt befindlich auf der Bühne auf und ab zu schlendern, dazu noch eine permanent nach vorne wippende Gestik, ein leicht fröhlicher Gesichtsausdruck und fertig war das locker dahin schwingende Feeling, dass er an seine Crowd weiter zu transportieren wusste. Es führte sogar so weit, dass mich der Anfang von Radio Christiane mit deren Vintage - Gitarrensound - Passagen und Melodiefolgen doch glatt an einen Nick Valensi erinnerte. Was sie auf jeden Fall gemein hatten, das ist die Ruhe weg vorm Gig. Das kam einer erlebten The Strokes - Show in Amsterdam schon ziemlich nahe. Diesmal klappte mir allerdings kein Kumpel zusammen – kann gut sein, dass dies damals allerdings auch nicht auf die Hitze und das Sardinendosenfeeling zurückzuführen war. Generell schwamm, wie schon bei FAMP, eine Unzahl von verschiedenen Einflüssen an mir vorbei. Neu ist das alles sicherlich nicht was die Burschen da aus ihren Instrumenten herausholten. Was es aber garantiert war - thight und tanzbar bis zum Sohlenverglühen. Natürlich hatte das keiner so richtig in Erwägung gezogen im sehr gut besuchten U-Bahnschacht am Donaukanal. Trotzdem war die Stimmung schon großartig als die Protagonisten endlich die Bühne enterten. Ist auf der Homepage noch von einer Dreierformation die Rede, so wuchsen sie live zu einem Quintett heran. Es ging ohne viel Gerede zur Sache – wurde ja auch schon Zeit. Nachdem ich, weil von Spontanität getrieben, nicht wirklich viel Zeit hatte mich mit deren Musik vor dem Konzert auseinander zu setzen, kam es zum zweiten schrägen Moment dieses Wochenendes. Das tat in diesem Fall auch gut, weil ich einfach keine Erwartungen hatte, mich einfach überraschen ließ. Und diese Überraschung gelang. Das war vom Beginn weg feinster Disco, Funk, Pop, whatever. Die Stimme wirkte wie geschaffen dafür und man merkte der Gruppe nicht an, dass sie scheinbar schon seit ewigen Zeiten unterwegs waren. Hier hatte wer richtig Bock auf Spielen. Noch dazu handelte es sich ja um eine Österreich Premiere. Einzig der Bassist blickte anfänglich ein bisschen desorientiert aus seinem Samhain Shirt. Von schnittigen Terminator-Lederjacken bis hin zum gebügelten Hemd, welches in Kombination mit der Bluejeans typischerweise an einen 0815 - WU - Studenten-Look erinnerte, war in der Dresscode-Palette der Fünf alles vertreten.

I wie INXS:

Dass die Burschen eigentlich nur mehr ihre Nummern sauber vortragen mussten um ein kollektives Sommerfeeling ins Flex zu zaubern, das war nach den ersten beiden Songs sowieso klar. Wenn dann aber so eingängige funky Hits wie Rich Girls, Private Affair oder Teen Lovers im Koffer mit über den großen Teich geschmuggelt werden, dann habe sogar ich damit zu kämpfen die Körpertemperatur auf einem Niveau unter der gefährlichen 40° Celsius Marke zu halten. Die aufgrund eines Dauersmileys hervorgerufenen Muskelverspannungen im Gesicht will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst kommentieren müssen. Letzteres bläst uns gleich einmal mit einem Intro das gut und gerne auch Falco entsprungen sein könnte um, und hätten sie dann live auch noch die am Album so wunderbar eingesetzten 80iger Synthies eingebaut, ich hätte Luftsprünge gemacht. Und obwohl der Song eine meiner Ansicht nach „schmutzigere“ Thematik behandelt, so kann man den Refrain wunderbar allen Jugendlichen von der ersten bis zur letzten Reihe als Weisheit für die Zeit nach den Sommerferien an den Kopf werfen. Es bringt nämlich gar nix, wenn man die üblicherweise in den Sommermonaten entstehenden Schmetterlinge im Bauch auf eine unnötige Reise schickt die in den meisten Fällen eh nix bringt. Teen lovers, dont wait, vacation is over, dont wait
Das Phänomen mit nur einem Album auf Tour zu gehen wurde dann aber auch den New Yorker Jungfrauen zum Verhängnis. Irgendwann war die Setlist nämlich abgespielt und eine Zugabe wurde lauthals gefordert. In solchen Fällen haben Bands, welche nicht schon in der letzten Nummer mit einer Oper von Song oder einer Zerstörungsaktion klar machen nicht mehr auf die Bühne zu kommen, immer den letzten großen Reißer im Programm auf den dann als versöhnlicher Abschluss meist noch eine Coverversion folgt. So rannte das auch an besagtem Sonntag ab. Dass sie aber nicht davor zurückschreckten Devil Inside in herausragender Manier zum Besten zu geben, und damit auch noch meine all time heroes, welche mir komischerweise als erste Reverenz ins Gedächtnis geschossen waren, mit ins Spiel brachten, führte dass bei mir zu einem innerlichen Systemausfall aufgrund nicht mehr zu bewältigender Endorphinausschüttung.

F wie Freedom:

Als dann die Bühne im Dunkel verschwand und aus den Boxen mit den Kings of Leon die Afterhour eingeleitet wurde, schloss ich mit diesen auch noch schnell meinen Frieden und malte mir schon aus, wie sie mir meinen diesjährigen summer of hoffentlich freedom versüßen würden.

E wie Egal:

Was ich auf jeden Fall mitgenommen habe aus diesem Wochenende ist, dass mein Pop wieder um zwei Assoziationen gewachsen ist. Bleibt nur abzuwarten, was Casablancas & Co. für eine Überraschung parat haben. Und so wie es ausschaut, sind The Strokes nach wirklich langer Abstinenz in meiner Playlist gerade wieder dafür verantwortlich, dass ein paar Konturen sichtbar werden und, seit neuestem ein Funke von Plan durch die dunklen Gänge meines komplexen Gefühlslabyrinths nach der erlösenden Ignition sucht. Musik ist wahrhaftig das wichtigste auf der Welt – ob´s gewissen Leuten passt oder nicht......

photo: the virgins
copyright by the virgins

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