Montag, 16. März 2009

Hercules & Love Affair / 7.11.2008 / Espació Movistar - Barcelona

Now i am ready for a loveaffair

Sodala,die Schonfrist ist vorbei! - ein denkbar unpassender Anfang für einen Blog, der sich irgendwo zwischen Musik und dem wahren Leben da draußen einparken sollte…aber der Satz gefällt…aus mehreren Gründen. (..und ja, ich habe ihn einer Mail meiner Inbox entnommen….)....
Warum die lange Pause? – „Übersiedlungsstreß“ (Punkt)....
Das Gute am Übersiedeln ist, dass Kapitel abgeschlossen werden, Sachen in den Müll wandern und Platz für Neues geschaffen, sowie vieles aus einem anderen Blickwinkel gesehen wird. Daraus resultiert, dass man wieder mit neuem Elan an diverse Sachen geht und es einem wieder möglich ist erneut in eine Richtung zu navigieren in der die Wahrscheinlichkeit Neuland zu betreten nur mehr vom Steuermann allein abhängt.....
Eine riskante Expedition, aber auch im sicheren Hafen kann einem der Kahn unter den Füßen absaufen.....

First Stop - Mittelmeer

Mein Dampfer hat es vorerst mal nach Barcelona geschafft, und da es sich hierbei um eine Stadt handelt in deren Hafen die ganze Welt vor Anker liegt fühl ich mich natürlich auch unglaublich wohl.....
Außerdem spült es hier, im Gegensatz zu Wien/Österreich, häufiger Acts an Land, die es leider nicht bis ins Binnenland schaffen…..oder erst nach mühsamen Umwegen zu Lande, ausgebrannt und mit mörderischem Delay, ankommen. ....
Also eigentlich der perfekte Ort um endlich mal so richtig einer Sache auf den Grund zu gehen, sich in etwas zu vertiefen und auch mal ein bisschen über die Stränge zu schlagen, weil sich die Verpflichtungen gerade in einem überschaubareren Rahmen befinden.....
Den Elan darüber auch zu schreiben und das ganze dadurch erst so richtig interessant zu machen & Impressionen zu teilen, der hängt allerdings immer noch vom Beobachter alleine ab – also mir….und diesbezüglich hab ich bei Liveperformances von Kavinsky, Dorian Concept ( im Zuge der Red Bull Music Academy und mittlerweile mit LP im Handgepäck!!!!!) und bei der prallgefüllten Schwedenbombenpackung namens I am from Barcelona versagt……sorry for that, aber auch hier hat der Tag nur 24 Stunden, die ich erst in einen neuen Alltag einpassen musste.....
Da ich mir einen vierten Fehltritt nicht mehr leisten wollte, noch dazu wo sich durch dieses Konzert ein riesiger Kreis geschlossen hat, wodurch ich mich wiederum erst so richtig „angekommen“ fühlte, ist es mir gerade eine große Freude und auch ein bisschen ein erleichterndes Gefühl, endlich wieder die Schleusen zu öffnen und „das Netz“ zu fluten.....
Zurzeit herrscht generell ein reges Treiben im Mittelmeerhafen, aber dieser Tage schwemmte es wahrlich eine Perle von „Band“ an Land. Eine aus dem hippen Brooklyn/NYC kommende und seit ihrer Schiffstaufe im Mai dieses Jahres in den Disco-Gay-Electro -Gefilden herumgondelnde Galere, welche ganz ungeniert den bunten Anker über Bord warf …und sich ein weiteres Mal (Sonar 2008) direkt in die Herzen der mir für diese Musik am prädestiniertesten erscheinenden Menschen festhakte.....

MS Brooklyn:

Hercules & Love Affair – eine schrille Ansammlung von Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten und gerade deswegen zusammenpassen wie Raoul Duke und Dr. Gonzo. Kapitän Andy Butler hat bei der Zusammenstellung seiner Crew ein goldenes Händchen bewiesen und seine Vorstellungen und Ansprüche wie seine Musik klingen solle wahrhaft perfekt umgesetzt. Zuerst auf Platte, die nicht nur aufgrund der Unikaten und durch Mark und Bein gehenden Stimme von Anthony Hegarty (from Anthony and the Johnsons) zum heißesten Anwärter in der Kategorie „24 Stunden Plattentellerlauf“ gilt, sondern auch Live, wo ebenfalls auf Tatkräftige Unterstützung von Korg Keyboards, Schlagzeug, Bass, Zugposaune und Trompete gesetzt wird. Selbstverständlich mit von der Partie der/die wahrscheinlich am besten aussehendste Transsexuelle Namens Nomi und Kim Ann Foxman, ihres Zeichens lesbische Schmuckdesignerin und zu Fleisch und Blut gewordenes wandelndes XXL-T-Shirt mit mörderischer Stimme…jemand musste offensichtlich den fehlende Stoff Nomi..s wieder wettmachen….....
Auf Tour übernimmt Nomi die Gesangparts von Anthony und trotz anfänglicher Soundprobleme in der wahrscheinlich unpassendsten Location der Welt, brillierte danach das Konzert nicht nur optisch. Einzig der Andrang hielt sich, gegen meine Erwartungen, in Grenzen - in einer Stadt mit derartigem Angebot und Affinität zur Clubmusic und reinen Dj Acts verwundert das nicht mal besonders. Endlich wieder spontan und je nach Tagesverfassung zu operieren ist etwas, das sich in Wien zuletzt überhaupt nicht mehr realisieren ließ, hier aber schon vermehrt wieder Anwendung in meiner Abendgestaltung findet.....
Das Konzert startet mit einer wuchtigen Bassline, die sich die nächsten 75 Minuten nicht mehr beruhigen sollte. Gleichtzeitig fabriziert Mr. Butler, versteckt hinter seinen Spielzeugen, den Beat von Classique#2 (von der Blind EP) und macht sofort klar wohin die Reise heute gehen wird – in Richtung Remix der eigenen Nummern. Eine Tatsache die mir schon im Spätsommer bei einem Roisin Murphy Gig in der Wiener Arena einen fetten Grinser ins Gesicht zauberte. ....
Der Opener ist übrigens die Nummer, durch welche ich auf diese Bande überhaupt erst aufmerksam geworden bin, und eine der ersten Vinylscheiben, die ich nach jahrelanger Abstinenz gegenüber dem (vorwiegend) schwarzen Trägermedium mein Eigen nennen durfte. Meines Erachtens nach also die beste Wahl das Warten zu beenden und endlich mal ordentlich Hammer, Amboss, Steigbügel und Co. zu strapazieren – „do you really want, want, want…..me“ – ja ich will!!!
Mit You Belong wird dann auch gleich ordentlich nachgelegt, leider entwickelt sich die Nummer aber zu einer Endlosschleife und innerhalb von Minuten kippt die Stimmung im Publikum ins radikale Gegenteil. Die Folge: Teilnahmslose Gestalten rund um mich und für einen Augenblick sehe ich mich inmitten österreichischer Gesellschaft und mit kaltem Angstschweiß auf der Stirn. Die Band handelt aber umgehend und murkst den Song irgendwie zu einem Ende um mit Blind einen ordentlich Rück durch die Menge zu bringen. Der erste große Auftritt von Nomi, der/die bis dato nur Cedric Bixler ähnliche Verrenkungen im roten NYC -Chanel-Disco-Glitter durchführte, konnte also beginnen….und damit auch die eigentliche Party.....
Hyperaktiv und trotzdem elegant wird da in kessen und gleichzeitig total nach Mad Max aussehenden kniehohen Stiefeln die Bühne vergewaltigt und nebenbei noch in tiefster Stimme im Canon gesungen. Der Basser ist, wie der Großteil dieses Typus, ein Ruhiger und konzentriert, uns die saubersten Bassläufe zu servieren, während sich das Bläser-Duo sichtlich gegenseitig battelt und irrsinnigen Spaß dabei hat. Obwohl auch hier kräftig gepustet wird habe ich schon bei Weitem bessere Musiker solche Instrumente bedienen gesehen als es die Beiden es zu können vermögen. Vielleicht lag es aber auch nur am Sound, dass sich das offensichtliche Können - immerhin kommt Hr. Butler aus dem Klassischen Bereich der Musik und hat somit Ahnung von der notwendigen Klasse die es bedarf zu rekrutieren – nicht in diesem Maße entfalten konnte.
Das Set kippte immer wieder in extrem jazzige Teile, wo die Wurzeln des Erschaffers sehr klar sichtbar wurden, bei Denen sich für mich aber manchmal auch nur ganz schwer erahnen ließ, ob ich diverse Übergänge jetzt als „meinen musikalischen Horizont überschreitend“ oder doch eher als „in die Hose gegangen“ einstufen sollte. Vor allem der Drummer experimentiert was das Zeug hielt und so kam es, dass mir mancher Beat buchstäblich im Hals stecken blieb anstatt so richtig zu munden, und es teilweise den Anschein hatte als ob das Schiff beinahe gekentert wäre.....

The Sound of Musik

Die Stimmung im Publikum folgte dieser Metamorphose auf Schritt und Tritt und irgendwie wollte der letzte Funken Euphorie, so wie er sich in meiner Vorstellungskraft schon seit Tagen eingenistet hatte, nicht zünden. Ich meine das Konzert war meilenweit davon entfernt nicht zu gefallen oder überhaupt gedankenverloren in die andere Ecke des Zelts zu starren, ganz im Gegenteil – mit der ausgetüftelten Musik im Ohr und geschlossenen Augen den bunten Lichtkegeln zu folgen bis man selbst bei geöffneter Linse glaubt in einem Kaleidoskop zu sitzen, das funktionierte perfekt. Allerdings war, wie so oft, meine Erwartungshaltung wieder vorherrschend und bescherte mir dieses kleine, aber doch vorhandene Gefühl von „Enttäuschung“. Höhepunkte servierten uns die Combo aus Brooklyn zur Genüge. Ich denke des Weiteren zum Beispiel an die unglaublich treibenden Liveversionen von Hercules Theme oder Raise me up, wo es einfach unmöglich war sich nicht im Beat zu wiegen und den Smiley mit dem Nachbarn zu teilen oder man sich überhaupt erst wieder fand als die Hände in mantramäßigen Bewegungen stilvoll die sterile Luft in der Venue zerschnitten während neben einem meterhoch fliegendes 90er Jahre Schuhwerk zu Meteoriten mutierte und der Duft von Chocolate das ganze zumindest im Kopf zu einem verschwitzen Clubgig im Sala Apolo machen ließ – wo Hercules & Love Affair bei weitem besser hingepasst hätten, und was rein von der Kapazität her leicht machbar gewesen wäre. ....

Überstunden

Fröhliche Gesichter, das ist es, was ich mit dieser Stadt so verbinde wie mit Österreich seine Grantler. Es war zwar ein durchwachsener aber sehr befriedigender Abend, der nicht nur mich noch lange in Erinnerungen schwelgen lassen wird. Zu guter Letzt endete das Konzert nämlich in einem Zugaben Marathon, bei dem auch die eine oder andere neue Komposition zum Besten gegeben wurde. Und als die Band überraschenderweise nach minutenlangen !Otra! - Rufen noch einmal die Bühne enterte, da konnte ich das Funkeln in den Augen und die ehrliche Freude jedes einzelnen Mitgliedes sehn – es war ein heftiger, ja teilweise unbequemer Ritt durch die raue Mediterrane See gewesen, der allen extrem viel abverlangte an diesem Abend, aber dank einer starken zweiten Hälfte hatte man wieder Wind in die Segel bekommen und schlussendlich doch noch das kostbare Gut aus dem Land der vielen Möglichkeiten an die Meute gebracht – an der es jetzt liegt, sie brav unters Landvolk zu Bringen, damit beim nächsten Gastspiel auch wirklich alle wissen, was sie erwartet.

Montjuic

Für mich endete der Abend mit einem größeren Fragezeichen als erwartet und das war wahrscheinlich auch mit ein Grund, die Motivation zu finden um darüber zu berichten – denn meistens löst sich bei diesem Prozess der eine oder andere Seemannsknoten.....
In besagter Nacht hat es mich dann noch nach Poble Sec verschlagen, von wo aus sich mir – nachdem mit letzter Kraft schätzungsweise eine Million Stufen bewältig – ein unbeschreiblicher Blick über das glühende Barcelona offenbarte….und in der Ferne konnte ich die Galere gerade noch aus dem Hafen fahren sehn …..das nächste Ziel schon vor Augen – eine Sache, die mir bis dato verwehrt blieb. ....

paz *thez*

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