Montag, 16. März 2009

Crystal Antlers + Shooting Spires / 1.3.2009 / Arena - Wien


Endlich wieder Musik....

Jedes Ende bringt einen neuen Anfang mit sich“….. Wer sagt das? - und vor allem: Stimmt das auch?
Es ist schon recht seltsam, wie diverse Überlieferungen, die sich ja aus Erfahrungswerten und Erlebtem anderer zusammensetzen, gefühlsmäßig schon ein Leben lang durch meine Gedankenwelt ziehen, man sich aufgrund selbstwahrgenommener Geschehnisse dann die Frage stellt, ob das denn auch wirklich so ist, ob diese einzelne Zeile ihre getragene Message ganz von alleine umsetzt oder ob man da schon noch seinen Anteil dazu beitragen muss. Es hängt wie so oft von der Definition ab, denn ein Anfang ist nicht gleich ein solcher. Ein Anfang kann auch ein Ende sein, das Ende vom Anfang. In den letzten Tagen als sich bei mir - gegen meinen derzeitigen Willen – diese innerliche Aufbruchsstimmung einstellte, da war sie dann auch wieder präsent, diese abgedroschene Phrase. Mit dem Unterschied, dass ich schon vor einer Weile begonnen hatte etwas Neues zu beschreiten, somit das hier und jetzt in dem ich mich (wieder ) befinde zwar auch als eine neue Situation, ein weiterer Beginn einer Epoche, letztendlich aber einfach nur als ein konstruktives Weiterarbeiten an einem anderen Ort angesehen werden muss. Und trotzdem ist es mir gerade unheimlich wichtig mit Sicherheit zu wissen, dass ich in ein paar Wochen abermals ein neues Kapitel eröffnen werde, allerdings dort, wo vor ein paar Monaten alles seinen Lauf genommen hatte….

The beginning....

Als ich im Juli 2008, mitten im Zurechtbiegen der uralten, verrosteten Gleise in Richtung einer besseren Zukunft, ein bisschen erschöpft und den September herbeiwünschend, über diesen wunderbaren und wie bestellt wirkenden Artikel der Außenstelle NYC gestolpert bin, da strotzte ich plötzlich wieder voller Kraft und auch Hoffnung. Die Musik dieser auf den ersten Blick so ausgeflippt wirkenden Gruppe und deren scheinbar noch nie dagewesener Mix an Stilen wirkte wie ein Stromstoß der meine ausgelaugten Akkumulatoren in Sekundenschnelle wieder aufladen ließ. Ich fühlte mich großartig und hatte wieder Kraft für den damals so wichtigen, letzten Schritt. Jetzt, mehr als ein halbes Jahr später, einer richtungsweisenden Horizonterweiterung im Ausland reicher und erstmals seit Monaten wieder dreckige Donau gegen blaues Mittelmeer getauscht, da passt die Musik wieder perfekt ins Programm. Drum bin ich heute auch eingepackt in drei Schichten und schwerster Wehmut durch die Straßen Wiens marschiert, den Kapuzenpulli weit über den Kopf gezogen und mit A thousand eyes in den Headphones. Sehr befremdlich wirkte das Ganze auf mich, sehr unwohl fühlte ich mich in der mir normalerweise so vertrauten Stadt und hätte ich nicht das Wissen gehabt in ein paar Stunden in den Livegenuss von Crystal Antlers zu kommen, dann wäre der Tag auch schon wieder zu Ende gewesen. Ja, erst jetzt verstehe ich was es heißt, etwas mit anderen Augen zu sehen…oder eben mit ein paar Tausend davon.

Erdberg

Dann, nach einem kurzen- aber wie ich glaube gelungenem – Überraschungseffekt, ging´s ab in die gute alte Arena. Und dass ich nicht allein dorthin unterwegs war, das erleichterte mir einiges und ließ den Abend erst so richtig zu einem gewaltigen Genussmoment mutieren. Denn auch wenn ich mit meinen Gedanken noch mehr als 2000 km entfernt bin, so ist es doch ein wunderbares Gefühl plötzlich eine der wichtigsten Personen nach monatelanger Abstinenz wieder neben sich zu haben. Das Konzert fand im Dreiraum statt, einem Soundtechnisch nicht optimalen Platz und auch eher einer Schuhschachtel ähnelnd. Ich hatte schon vor dem Gig massive Bedenken, was das im Falle einer Band wie den Crystal Antlers für Auswirkungen mit sich bringen würde. Immerhin handelt es sich hier um eine Combo, die sich maßgeblich über ihren Sound definiert. Natürlich, jede Band macht das, aber in diesem speziellen Fall würde eine fatale Soundperformance erheblicheren Schaden anrichten. Bei der Band (weil erstmals in Wien), dadurch natürlich bei den Anwesenden und am meisten bei mir selbst. Bevor es aber so weit war, nahm uns noch der unter dem Synonym Shooting Spires agierende BJ Warshaw (in punkto Niederlassung mittlerweile von Brooklyn nach New Jersey übersiedelt) auf eine Reise in die Welt der Effekte mit. Für mich immer wieder einem Phänomen gleichend wie man den Ansatz solche Musik zu machen für sich entdecken kann und in weiterer Folge auch noch den Überblick behält in diesem horriblen Mix aus meterlangen verwundenen Kabeln, einer Unmenge Gaffa und irgendwo dazwischen auch noch schätzungsweise fünf Effektgeräten, einem Kaospad, einem I-Pod, einem Mini-Midi (dem Anschein nach von Fisherprice ums Eck), einem Wah –Wah, und einigem mehr. Auch wenn mich solche kreischenden Soundwolken immer ein wenig abschrecken und ich mich nicht wirklich dafür begeistern kann, so bin ich in den darauffolgenden Minuten doch ein Fan seiner Stimme geworden. Waren die ersten Nummern noch sehr vor den Kopf stoßend, so konnte ich danach doch eine gewisse Logik hinter all dem sehen. Vielleicht ist das auch einfach mein Hauptproblem, alles immer auf einen logischen Nenner zurückführen zu wollen. Geschafft hab ich das ja nicht mal im gehassten Fach der Mathematik, warum also im viel komplexeren (aber geliebten) der Musik. Also werd ich´s einfach wieder lassen. Als feines Gimmick und Weltpremiere zugleich holte er für eine Nummer den dudelsackspielenden Irokesen der tschechisch/amerikanischen Punkrocker von Pipes and Pints auf die Bühne, welche im Anschluss das Beisl zum schwingen brachten. Leider stellten sich massive technical difficulties ein, was den Soundtechniker zu einem auf der Bühne herumkriechenden, alle Kabel inspizierenden Ärmling machte. Immer auf der Suche nach dem Kontaktfehler, was bei diesem Kabelsalat der altbekannten Suche nach der Nadel im Heuhaufen sehr nahe kam. Es führte in weitere Folge auch dazu, dass das Konzert beendet wurde. Beim nachfolgenden Gespräch im Arena – Beisl wurde dann eine defekte DI-Box als der Übeltäter lokalisiert. Und wenn schon so eine Ein -Mann – Maschinerie aus dem fernen New York zu Besuch ist, sollte sein Zweitprojekt, diesmal eine Band, namens Parts & Labor auch noch Erwähnung finden.
Dann wurde endlich ein bisschen Ordnung in das Chaos gebracht. Kabelenden verschwanden in den dazugehörigen Instrumenten, Sticks klopften den Rhythmus ein und ab ging die Post. Der Raum war mit schätzungsweise 50- 60 Personen ganz passabel gefüllt. Von den Stimmproblemen, die Sänger Jonny Bell zur Absage des Konzertes in Köln gezwungen hatten, war nichts mehr zu hören. Rau, rotzig, den Unterkiefer immer weit nach vorne geschoben, die Augen geschlossen und permanent brachial das Mikro anshoutend als wäre es das am meisten gehasste Ding auf Erden - so präsentierte er sich. Er würdigt dem Publikum keinen Blick, und wenn doch, dann handelt es sich dabei um den Bruchteil einer Sekunde und in Kombination mit einem slangfreien Dankeschön. Ich positionierte mich in der ersten Reihe, die Boxen hinter mich gelassen. Ich dachte mir, dass es vom Sound her eine Bank sei, wenn ich maßgeblich das Monitorgewitter der Bühne zu Ohren bekommen würde. Diese Vermutung stellte sich als Richtige heraus. Gab es in der Mitte des Raumes noch anfängliche Soundprobleme denen man erst nach etwa drei Nummern mit herunternehmen des Orgelsounds und mehr Augenmerk auf die Gitarre entgegenwirkte, so klang vorne alles sauber und auch jede so präzise, von enormer Wichtigkeit gesetzte Verzerrung des technisch hochbegabten Gitarristen Andrew (passenderweise mit Nachnahmen King) sowie jeder Schlag auf die Bongos von „Sexual Chocolate“ waren perfekt zu hören. Die Band aus Long Beach/California beglückte uns 2008 mit einer bombastische EP welche unter den Fittichen von Ikey Owens, seines Zeichens herausragender Organist bei The Mars Volta und alter Bekannter des Percussionisten - aus Zeiten wo dieser noch Events in einem L.A. Club organisierte und Ersterer genau in diesem als Soundtechniker tätig war - produziert wurde. Außerdem fungierte Owens eine Zeitlang als Organist bei Crystal Antlers. Für die Produktion des im April dieses Jahres erscheinenden Longplayers Tentacles musste aus zeitlichen Problemen aber auf einen anderen Produzenten zurückgegriffen werden. Hört man sich allerdings die erste Singleauskopplung Andrew an, so kann man die etwaigen Sorgenfalten, die sich aufgrund der neuen Konstellation beim Aufnahmeprozess eventuell auf der Stirn gebildet haben, gleich wieder gerade bügeln. Es ist, so scheint es, eine nahtlose Weiterführung der Ep. Live wurde diese Nummer an vierter Stelle platziert, also es dem Longplayer gleichgetan. Die Musik dieser Band zu beschreiben, da habe ich gerade meine Probleme damit, weil ich nicht wirklich sagen kann, wo ich sie einordnen soll in meinem generell sehr breit gefächerten Musikspektrum. Dieser Mix aus jeder Menge Soul, Prog und drogengeschwängerten 60iger Jahre Psycho, diese so perfekt alles miteinander verbindende und doch so simpel und unprofessionell wirkende DIY - Stimme, die Percussions, diese unendlich scharfen Cymbals, dieses spartanische Schlagzeug …..es wirkt, speziell nach dem Konzert und weitern 12 Stunden Dauerrotation der sieben in meinem Besitz befindlichen Nummern, als wäre eine seit langer Zeit in meinem Unterbewusstsein dahingewachsene Vorstellung von der perfekten, alles umfassenden Musik plötzlich in Erfüllung gegangen. Als hätte wirklich jemand den Jackpot diesbezüglich geknackt. Gratulation. Entgegen meiner Erwartungen wurde von der neuen Scheibe nur ein Bruchteil vorgetragen, die Ep aber fast zu Gänze durchlaufen. Dass Nummern wie Owl, Until the sun dies (part 2), das schon weiter oben erwähnte A thousand eyes, Vexation und vor allem Parting song for the torn sky bei mir für eine überdimensionale Ausschüttung von Glückshormonen sorgten, dass versteht sich ja von selbst. Speziell Letztere wurde klassisch als finales Ende gesetzt, einfach weil sie perfekt als solches zur Geltung kommt, weil in diesem Song nochmal so richtig Dampf abgelassen werden kann , weil hier im Jam -Part der Nummer schon mal der Kopf Jonny Bells auf die Orgeltasten von Victor Rodriguez aufschlagen kann, dort die Klaviatur von C1 bis C2 massakriert und angeschwitzt zurück lässt, weil ein Damien Adwards aka Sexual Chocolate die Welt schon mal ein bisschen schräger wahrnimmt durch seine schwarz-weissen Ray Ban´s, offensichtlich seine Percussions mit seiner Angebeteten aus seinem letzten erotischem Traum verwechselt und auch Kevin Stuart noch mal das letze aus seinen Drums herauspusht. Das Publikum huldigte die Kalifornier mit nicht enden wollenden Applaussalven und Aufforderungen für mindestens noch eine Stunde Musik. Naja, dazu kam es natürlich nicht mehr, aber zwei weitere Nummern, eine davon ein fast ausschließlich dahinwummerndes Instrumentalstück und eine weitere, wahrscheinlich ebenfalls neue Komposition, waren schon noch drinnen.

Schokobeisl

Es war ein perfekter erster Abend in der neuen alten Stadt, oder zumindest wurde die Phase meiner schwer zu handhabenden Gefühlslage um ein paar Stunden nach hinten verschoben. Nachdem dann noch im Arena –Beisl bis in die frühen Morgenstunden Raubbau am jeweiligen Körper betrieben wurde um, einerseits die Situation leichter zu verkraften, 27 Jahre Erdenbürgerschaft zu feiern oder einfach nur einer unzählige Stunden dauernden Weiterfahrt in die Schweiz entgegenzuwirken, der erwünschte Effekt trat in jedem der Fälle ein. Außerdem entdeckte Sexual Chocolate die Vorzüge des Weißen Spritzers, hat seit gestern einen neuen Freund aus Schokolade, könnte sich vorstellen in der Arena wohnhaft zu werden und als persönlichen Wunsch eine Open-Air Gig in genau dieser ausgesprochen. Der sowohl auf der Ep als auch auf der Lp mitwirkende zweite Gitarrist Errol Davis konnte für die Europatournee der Band leider nicht mehr rechtzeitig gewonnen werden weil derzeit in Thailand verweilend. Generell wurde laut Aussagen des Percussionisten, der sich und seine Bongos nicht als Pausenfüller, sonder als zweite Stimme für Sänger und Drummer sieht, erst einmal ein Gig gemeinsam gespielt. Die folgende US-Tour werde er aber als sechster Mann die Bretter der Bühnen mit ihnen teilen.

Hot Stuff

Der Longplayer Tentacles steht in Europa ab 6. April 2009 im Plattenladen deines Vertauens und wird vom Label Touch and Go released. Laut Informationen der Band handelt es sich hierbei ürigens um die letzte Platte, danach wird das Label seine Dienste einstellen bzw. downgesized.
Jeder der sich diese einmalige Gelegenheit, diese Band in einem so familiären Rahmen anzuschauen entgehen ließ, dem kann ich jetzt nur gute Besserung wünschen – aber falls jemand Lust auf verfrühte Sommergefühle hat, kann ich nur das Primaverasound Festival in Barcelona empfehlen. Dort kann man mit den Crystal Antlers um die Wette funkeln….und natürlich mit meiner Wenigkeit;-)
In diesem Sinne möchte ich noch Corey Rusk (Touch and Go Gründer) zitieren:
…. but we also know that good things can come from new beginnings.

PAZ!
*thez*

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