Montag, 16. März 2009

The ( International) Noise Conspiracy / 14.12.2008 / Apolo - Barcelona


A love story

Kaum auf den Beinen und wieder halbwegs hergestellt vom doch etwas länger als geplant dauernden Vortag, schon geht’s wieder vor die Tür. Das erste Mal an diesem Tag, Frischluft, Kälte, ungutes Wetter. Ich hab schlecht geschlafen, bin wirr im Kopf, zermahle gerade die absurdesten Gedanken in Feinstaub, ein paar Dinge rennen grad nicht so wie ich mir das vorstelle und jedes bisschen Kraft, dass ich in den letzten Tagen in eine mir wichtig erscheinenden Sache gesteckt habe, wurde nicht einmal mit einem Augenzwinkern honoriert. Kurz: Ich bin „angepisst“, merk grad, dass ich einfach in ein beschissenes Muster, das mir nur zu gut bekannt ist, verfalle – mit dem Unterschied, dass ich jetzt keine Ausreden mehr habe…und das ist auch gut so. Höchste Zeit, mal wirklich anzupacken, ein Zeichen zu setzen, etwas entstehen zu lassen…nicht nur im Kopf.
Wer mich kennt, der weiß, dass sich etwaige Gefühlsschwankungen in der Musik die ich gerade konsumiere entladen. Es ist halt ein Medium das immer da ist und im Moment noch viel wichtiger als je zuvor…..
Und weil ich ein Phantast bin, einer der immer an die minimalsten Zeichen, die einem das Leben als Köder für die offenbar richtige Direktion hinwirft, glaubt, weil ich an genau diesen vagen Zeichen, dieser Mischung aus Glück und Logik, zentnerschwere Illusionen anhänge, auf diesem unterdimensionierten Fundament anfange Wolkenkratzer zu bauen..genau deshalb und aus vielen Gründen mehr, kommt mir die neue Platte der The (International) Noise Conspiracy wie bestellt. Sie ist grad der Grund, weshalb ich wirklich trotz vieler Pläne aber mit einer überdimensionalen Portion Orientierungslosigkeit nicht in mich zusammenfalle, sondern gerade das Gegenteil erlebe – ich wachse …..und die The Cross of my calling mit mir.
Da ich mich aber gerade an einem Ort befinde, an dem sich die Leute nicht wirklich mit dieser Art von Gitarrenmusik, mit der Lyrischen Message, mit Rock ´n´ Roll und mit dem wahren Kunstwerk – Musik in einer Gruppe entstehen zu lassen und damit zu touren, sie unters Volk zu bringen, Feuer zu legen – identifizieren können, sehe ich es als mein persönliches Weihnachtsgeschenk an, dass sich T(I)NC nach Barcelona verirrt hatten. Und weil sich im Jänner mein Jahrestag zum ´zigsten Mal wiederholt, wurde schon mal mit It´s Not Not, einer radikalen Supportband (und erst der Auslöser für den schlussendlichen Ticketkauf) vorgefeiert.
Das Apolo war fast menschenleer. Ein fast gespenstischer Anblick diesen schönen Ballsaal ohne Leben zu sehen. Dass aus den Lautsprechern in gemäßigter Lautstärke Black Mountain dröhnte, verlieh der Ganzen Atmosphäre noch einen besonderen Schliff. „Desert“ – und das in Raval.

Der ruhende Pol

Denis Lyxzén lehnte mit Buch in der Hand entspannt in einer finsteren Ecken beim Merchandise, wie immer für ein Gespräch zu haben und mit dem Interesse sein Musikwissen und Liebe zum Vinyl mit einem zu teilen. Das genau dieser Typ eine Stunde später das authentischste und heißeste Konzert erschaffen wird, auf dem ich seit ich gigmäßig unterwegs bin jemals gewesen war, daran dachte ich keine Sekunde (trotz Vorahnung bez. dem, was bei einer T(I)NC –Show abgeht). Ich hab das erste Mal in meinem Leben ein Konzert kapiert – das klingt vielleicht als Eingeständnis für bisherige Ahnungslosigkeit, aber das ist ne Sache die tangiert mich gerade peripher….so wie sehr viel anderes Zeugs.
Die Band betritt zu psychodelischen Klängen, welche ganz kurz an ein Mars Volta - Konzert - Intro erinnern, die Bühne. Lyxzén zum Schluss. Er ist hochmotiviert, und als ich seine „Warm Up Jumps“ hinter der Bühne sehe, will diese (vegane Bohnen)Stange Dynamit nur mehr geworfen werden…um zu explodieren. Wie immer erstrahlt die Band in einheitlicher „Tracht“. Rot/Schwarz ist Geschichte und findet sich maximal im Stern auf Denis´ Brust wieder. Purple ist angesagt – die Farbe der Sünde. An dieser Stelle zum zweihundertsten Mal zu erwähnen, dass die Band ihr aktuelles Album in den Sunset Studios/L.A. (The Doors, Led Zeppelin, Rolling Stones) unter den Fittichen von Starproduzent und Vollbartgenie Rick Rubin aufgenommen hat, und gezielt Hommagen an die oben erwähnte L.A. Band gesetzt wurden, tut in Anbetracht der Liveperformance nichts zur Sache. Das hier ist schlicht und einfach T(I)NC, in Höchstform und an einem technischen Level ihres Schaffens, das gleichzeitig ihren derzeitigen Zenit darstellt. Die Schweden starten, indem sie sich in Assassination of myself gleich mal um die Ecke bringen, also zumindest textlich. Lyxzén singt “ …i felt so stuck in my wall“ …um später mit…..„right now i know, this is the way to get back in control“ die Lösung des Problems schon wieder parat zu haben. Das spärlich erschienene Publikum kann mit dieser Message, in der es ja letztendlich übers männliche Geschlecht und in weiterer Folge auch um Lyxzén selbst geht, noch nicht wirklich viel anfangen und liefert auch fast keinen Support, noch nicht. Der Sound ist gewaltig und das Ganze groovt von der ersten Sekunde auf eine schon lange nicht mehr erfahrene Art und Weise. Mit Let´s make history (Armed Love/2004) wird auch gleich indirekt angesprochen um was es heute Abend, und generell ab dem Punkt, an dem man selbst anfängt Beitrag zu leisten, geht. Die Nummer stampft gewaltig vor sich hin, während die Lyrics Manifesten gleichen – straight herausgeshoutet von dem Mann, der theoretisch von sich mit erhobenem Haupt sagen könnte, Geschichte geschrieben zu haben , seit fast zwanzig Jahren– das aber nie machen wird. Es geht bunt durchgemischt weiter. Auf Arm yourself von der neuen Platte – und DIE Nummer mit den geschmeidigsten, rundesten, saubersten Snare-Wirbeln und Tom-Läufen seit im hohen Norden Musik gemacht wird, folgt Smash it up von Album Nr. 2. (Survival Sickness/2000). Hier wacht auch das Publikum zum ersten Mal so richtig auf, was letztendlich in heftigen Mitschreiattacken beim Refrain gipfelt. Lyxzén ist schon lange in seiner eigenen Welt, in der des ewigen Predigers, des Schreihalses und ganz nebenbei der „geilste“ Tänzer/Herumwirbler/Mikroschongleur/Hochsprungweltmeister in Karottenjeans/ Spagatkönner…..
Er wirkt unverletzlich, weit über allem stehend und mit der Fortdauer der Show kommt auch noch eine gewaltige Prise Sarkasmus hinzu. Da wird ins Publikum gesprungen und auf brutal künstliche Weise in diverse Kameras gelächelt, da werden Gruppenfotos mit einem sich total aus der Hand gegebenen Frontmann gemacht, während die Band auf der Bühne in eine Art Jamsession verfällt – nur um beim Wiederentern der Stage auch noch einen verbalen Rundumschlag in Sachen Politik, mit Bezug auf Übersee, nachzulegen. Fast schon in einem saloppen Tonfall lässt er uns auch noch am Negativereignis des heutigen Tages teilhaben: „Today somebody had stolen us 9000 euros, nearly the whole money we made on tour..and we should be really pissed off, but we aren´t…..that´s life“ – das hat man also als Dank davon.
Hier wird mit Authentizität geantwortet, mit vollster Überzeugung und mit Boredom of safety wird eine Nummer angestimmt, die wie eine einzige Liebesbotschaft klingt. Live um einiges sentimentaler vorgetragen als auf Platte, aufgepeppt durch Schlangenförmige Tanzbewegung a la Morrison, wildes Herumgefuchtel & reges Treiben auf der Bühne, im Gesicht klebende Haarpracht und als krönender Abschluss sitzt Gitarrist Lars Strömberg auch noch auf Denis um mit dem rechten Knie ordentlich an seinem Schwanz zu reiben. Lasziv, dreckig und laut ist das Ganze heute, es wird dorthin gegangen wo´s wirklich schmerzt, wo auch der Kopf anfängt das alles nicht mehr als selbstverständlich anzusehen und sogar kurz ein wenig errötet….aber warum eigentlich, es gibt keinen Grund. Der Sänger schert sich logischerweise einen Dreck um solches Gedankengut, fährt sich lieber im Anschluss noch mit beiden Händen in die Hose um sich danach die Finger genüsslich abzuschlecken und eine Frage incl. Antwort ins Publikum zu schreien -„Right now you can feel it, !!!!!!!!!hääähhhh!!!!!!, suddenly you can feel it HERE, häääähh…….oh yessssss“ (und Michael Jackson lässt grüßen).Danach ein kleiner Schluck Wasser und weiter geht’s gegen den Uhrzeigersinn!
Bis auf den souverän und immer ruhig wirkenden Drummer Ludwig Dahlberg (klarerweise auf nem edlen Ludwig-Kit)wird vom Rest der Bande auch der Luftraum schwer missbraucht, bis man mit Like a landslide einen weiteren Volltreffer landet, bevor einem mit Hiroshima Mon Amour das bislang groovigste Stück aufgetischt wird. Musikalisch geprägt von einem nach vorne treibenden Schlagwerk, inhaltlich wie immer keine leicht verdauliche Kost – und auch die gute alte „Harp“ wird hier ideal eingesetzt!
We are five sinners, all over the week, but especially on Sunday“ – mit diesem Statement wird Child of god eröffnet. Eine Nummer, bei deren Orgelsolo eine kräftige Brise 60ies durch die perfekt für diesen Abend passende Location weht. Generell bin ich schwer beeindruckt mit welcher Leichtigkeit Lyxzén Harmonie und Rhythmus in die Lyrics bringt und wie alles so geschmeidig und perfekt abgestimmt ineinander verschmilzt. Mit Body treatise wird dann erstmals auch auf A New Morning, Changing Weather (2001) zurückgegriffen und bei I am Dynamite „funkt“ sich die Band nochmal so richtig weg …because „it´s a song about the band and me….yes -it´s a song about me“. Im Endeffekt hatte die Band/Denis Lyxzén so lange gezündelt, bis die anfänglich aussichtslos erscheinende Resonanz der im Apolo Anwesenden in einen Flächenbrand, der bis unters Dach Flammen schlug, ausartete. Es glich einer Gehirnwäsche, einer Zurechtweisung, einem Kraftschöpfen und vor allem einem Aufzeigen, was eine Band eigentlich ausmacht. Zumindest hab ich mich noch nie so gut gefühlt nach einem Konzert, noch nie hatte ich so den Drang etwas zu bewegen, egal in welche Richtung. Gepaart mit der restlichen Lawine an Geschehnissen der letzten Wochen bin ich grad richtig heiß drauf, mir mal gewaltig die Finger zu verbrennen………..
..und das Ganze nach ein bisschen mehr als einer Stunde. So einfach ist das.
Dass T(I)NC nach heftigem Applaus ein weiteres Mal die Bühne betraten, um mit Capitalism stolen my virginity und Black Mask noch mal kräftig hochprozentigen Schweiß ins Feuer zu schütten, verstand sich fast von selbst.

It is

It´s Not Not
hatten keine leichte Aufgabe mit ihren Support-Slot, erledigten die Sache aber mit Bravour. Das eine so kraftvolle, und so explosiven Punkrock/Hardcore spielende Band, die noch dazu Barcelona ihre Heimatstadt nennen kann, vor nahezu leerem Haus aufspielen muss, das schmerzt. Und die, die sitzenbleiben wollten…die sitzen heute noch.
… all denen die noch nie etwas von diesem genialen Quartett gehört haben, lege ich deren LP Giving Everything ans Herz. (Punkt)

Gracias y Feliz Navidad!
*thez*

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen