Sonntag, 31. Mai 2009

Malajube - 22.05.2009 - B72


Der Tag an dem Malajube ihr Labyrinth mit Schweiß fluteten. Nach uns die Sinnflut.

Rotation

Manchmal kann ich nicht nur die Welt nicht verstehen, sondern auch mich nicht. So geschehen, vor ein paar Stunden. Und was sich jetzt wieder auftut, das ist die Frage nach dem Sinn bzw. dem Grund. Alles muss und soll man aber nicht hinterfragen hat mir jemand mal gesagt, dessen Worte mich schon oft zwischen Resignation und Frühlingsgefühlen schweben haben lassen. Und genau das ist das Problem. Naja, „System Failure“ würde Jack singen, vielleicht renn ich aber auch noch immer im Labyrinth spazieren, dass sich am Freitag eigentlich noch als ein verdammt chilliges offenbart hatte. Und dann denk ich wieder an jenen Abend, an die Truppe, und weiß, dass eh alles richtig ist was ich so aufführe mit dem hier und jetzt. Übrigens – schon mal einen Polizisten getroffen, der Malajube kennt?? Nein?!! Na dann warte mal ab, wenn dich erst mal dein Dad aufklärt von wo die eigentlich kommen.

Unplugged am Gürtel

Ich war ein paar Minuten zu früh, machte aber nix. Und weil es mich nicht gleich zur Bar zog, schaute ich mir den Bogen 72 einmal von der andere Seite an. Dass genau dort, irgendwo zwischen Ziegelviadukt, Rollladen und Radweg die vier Kanadier von Malajube gerade eine Unplugged Session zum Besten gaben, damit konnte ja keiner rechnen. Beschweren tut man sich natürlich nicht über so eine exklusive Einlage, vielmehr führte das alles nur dazu, dass meine Vorfreude aufs eigentliche Konzert ein paar Stufen nach oben kletterte.
Labyrinthes heißt die neue Platte der vier Burschen aus Québec, und wiedermal ist der Name grad Programm in meinem Leben, kann ich mich hundertprozentig damit identifizieren. Ein Irrgarten der Gefühle. Mit dem Unterschied, dass es mir bei der LP nichts ausmacht, ein paar Stunden am Stück blind durch die enggebauten Gassen zu huschen. Der Titel wurde übrigens gewählt, weil man sich ein Jahr lang von der Bildfläche zurückgezogen hatte, nur ab und an mal einen kleinen Gig in irgendeiner Bar spielte und sich im Laufe dieser Zeit dermaßen viel Songs angesammelt hatten, dass man sich nicht mehr zurecht fand. Sehr vieles wurde im Endeffekt dann wieder verworfen, die nächste Platte scharrt aber schon in den Startlöchern, wird im Anschluss der laufenden Tour eingespielt werden. Das letzte Album wurde übrigens in den selben Räumlichkeiten aufgenommen, deren Wände auch schon der Stimme Elvis´ lauschten.
In Österreich waren sie zuletzt im Jahre 2007, damals noch im Chelsea. Umso verwunderlicher, dass sie diesmal ins B72 runter degradiert wurden. Bassist Mathieu Cournoyer antwortete mir auf die Frage der scheinbar immer kleiner werdenden Locationsituation in Wien mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen und nach oben gezogenem Schnauzer, dass er sowieso mal mit dem Booker reden müsse. Es mache ihnen aber nichts aus in so kleinen Clubs zu spielen, viel mehr sind sie glücklich wieder in Österreich zu sein. Außerdem seien intimere Gigs sowieso die bevorzugten. Ich kann mir Malajube mittlerweile in einem großen Rahmen ja auch gar nicht mehr vorstellen.

Hells Bells

Dann fiel endlich der Startschuss für das große Verrennen. Das B72 war voll gesteckt, mutierte an jenem Abend zum Inn-Treff für Leute, denen geregeltes Vorankommen auf ausgeschilderten Straßen genauso ein Gähnen ins Gesicht reißt, wie mir bei Geschichten über Spongebob. Schön brav folgte man der von den vier Kanadiern gelegten Spur, die doch prompt in ein Stimmungshoch führte. Und als dann „Ursuline“ gleich beim ersten Song des Abends meine Hand nahm und anfing zu laufen, da fühlte sich das richtig gut an. Hinein in ein komplexes System, in ein Dickicht verträumter französischer Gesangswelten, das hinter jeder Ecke mit einer neuen Überraschung auf uns wartete. Nachdem am Ende der Nummer live dann nicht die Glocken vom nahegelegenen Friedhof erklangen und mich aus dem Gefühlstaumel dieser undefinierbaren Parallelwelt zurückholten, blieben die Augen einfach geschlossen.

Es ist schwieriger als normal ein Konzert in Worte zu fassen, dessen Themenlandschaft man nicht versteht, wo einem rein die Musik zu sagen scheint, was der Grund für den Besuch ist. Klebt man aber seit Jahren im Spinnennetz von Malajube, dann ist dem gar nicht mehr so. Man braucht nur wiederzugeben was eine Stunde lang so auf die fantastischste Festplatte des Universums niedergeschrieben worden war. Nur, wo fängt man an mit seinen Worten?
Ich würde Malajube als ein wahrliches Phänomen bezeichnen, als eine Band, die sich so relaxt und unbeeindruckt gibt, die scheinbar gar nicht erahnt, was für eine Freude sie einem machen mit ihrer Anwesenheit. Zugegeben, die Songs wirken auf Platte wie das perfekteste Stück Musik, wie der Soundtrack für eine Million von Momenten. Live kommt dann auch noch dieser so wichtige, emotionale Faktor zu tragen, die Gefühlswelten der Malajube´s sozusagen, die wahren Menschen hinter dem Stück Plastik, das man in den Händen hält, anschaut und dabei leicht seinen Kopf schüttelt, weil es sowas ja gar nicht wahrhaftig geben kann. Es wird brachialer zu Werke geschritten, Nummern fließen selten ineinander, stehen meist als Eigenständige Teile im Raum, werden auch nach minutenlangem Dahinreiten auf meterhohen Progwellen zu einem nicht immer definierbaren Ende gebracht. Also gegen vielleicht aufkeimenden Erwartungen. Blitzartige, hochamperige Stromstöße werden mit nur wenigen Tastenanschlägen der Moog´s und Korg´s in kälteste, den ganzen Körper überziehende Wohlfühlschauder umgewandelt, Popsongs die einem dahinschmelzen lassen mutieren zu Hardcorenummern im eigentlichen Sinn. Der Drummer peppte sein Set mit einer Unzahl von Ghostnotes auf, setzte Fills anders als auf Platte und für jemanden wie mich, der immer ein Auge mehr aufs Schlagzeug wirft, war das schon großes Kino. Nebenbei wand sich Sänger Julien elegant von einer weißen Schuhkappe auf die Nächste, schlängelte sich fast einen Knoten in die Beine und verschob die schrägsten Akkorde auf der im Schweiß gebadeten SG. Das alles wirkte aber so authentisch und leicht von der Hand gehend, dass es, wenn man sich ohne Furcht diesem Labyrinth hingab, einem fast auch noch die Stimme verschlug.
Genau so war es aber am leichtesten die gelegte Fährte der Kanadier zu verfolgen, von Compte Complet, dem ersten Album, durch die Scheinwelten von Trompe-l´Oeil, bis eben in die dunkelsten Winkeln von Labyrinthes. Und als dann mein wohl musikalisch sehnlichster Wunsch an diesem Abend, die Liveperformance von meinem derzeit für so viele Sachen stehende Track, „Christobald“ nämlich, in Erfüllung ging, da war ich sicherlich einer der Glücklichsten im Raum. Von dieser Mars Volta´schen Snare/Tom - Kombination, diesen Stickschlägen auf die Bell des Ridebeckens und dem Druck, den diese Nummer live zu erzeugen vermochte, werde ich wohl noch vielen Freunden die Ohren vollsingen.

Wundertüte

Nach dem Konzert bekam ich dann noch eine kleine Anekdote aus dem Kanadischen Tourbuch zu hören. So war der Weg vom Überraschungskonzert in Graz nach Wien mit genau so einer gepflastert. Normalerweise, so erzählte mir Mathieu, hätte man als Band immer nur in Deutschland die üblichen Probleme mit den strengen Herren in Uniform, welche so gar nicht kapieren wollen, welche Maßnahmen man auf Tour anwendet um ein bisschen zu entspannen. In Österreich war es dann aber diesmal auch so weit. Dass einer der Polizisten dann aber tatsächlich Malajube kannte, sie gar nicht so schlecht fand und zufälligerweise noch keinen Tonträger im Regal stehen hatte, das sorgte dann, unglaublich aber wahr, zu einem reibungslosen Ablauf der Amtshandlung. Da sagen wir doch im Kollektiv danke, und haben ab jetzt die Gewissheit, dass auch in Polizeiautos Alternative Radiosender empfangen werden können. Das gehört ja dann förmlich mit einer Spaßzigarette gefeiert.
Und ob das nicht schon genug Verwunderung an einem Tag wäre, so erzählte mir die Dame mit dem unglaublichen Gespür fürs perfekte Bild, dass ihr Dad heute sogar bei einer kurzen Diskussion bezüglich der Herkunft von Malajube mit Insiderwissen glänzte. Weiß ja wohl wirklich jeder, dass die Burschen aus Kanada kommen. Unglaublich, und das noch mit Stil.

Artig

Für Liebhaber des DIY Gedankens sei noch gesagt, dass auch das Cover der aktuellen Platte von Sänger Julien entworfen wurde. Und auch wenn es auf en ersten Blick mit dem Artwork von Trompe-l´Oeil nicht mithalten kann, so beachte man bitte, dass Labyrinthes Übersee mit einem feinen Strukturcover zu erwerben ist, was das ganze natürlich auf eine künstlerisch andere Eben hievt. In Europa wurde diesmal leider auf einen Vinyl-Release verzichtet. Das Minus der letzten Platte muss ja nicht auch noch übertroffen werden.

Peace und noch mehr Love vom *thez*

alle Fotos gibts hier:

http://picasaweb.google.at/zellerluoid/DropBox?authkey=Gv1sRgCJ-gvKb98o6oVQ&feat=directlink

die anderen wunderbaren aus Rexi´s Welt hier:

http://www.katharinareckendorfer.com/

und hier

http://www.analoggang.at/


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