Freitag, 5. Juni 2009

Primaverasound Festival - Barcelona / Dia 2


Das freshe Gesicht

Tag zwei startete für mich dann sehr früh. Immerhin war mit Bat for Lashes ein schon lange erwartetes Ereignis am frühen Abend platziert. Der erste Kontakt den ich an diesem späten Nachmittag aber hatte, das war jener mit Andrew King, seines Zeichens Gitarrist der unglaublichen Crystal Antlers. In Anbetracht der tausenden Menschen ein eher witziger Moment.
Erstmals präsentierte sich mir das Gelände auch von der sonnigen Seite und die Britin untermalte dazu das Ganze auch noch perfekt mit ihrer verträumten Musik. So muss sich ein Festival anfühlen. Auch das Outfit von Natasha Khan und die dazugehörige Bühnendeko trugen dazu bei, sich in einer anderen Welt zu glauben. Zusätzlich zu den Gazellen Trophäen und den hundert anderen Gimmicks, fehlte nur mehr der offene Kamin auf der Bühne. Stattdessen gab es aber das Fenster zum Meer. Das war allerdings sperrangelweit offen, und verhalf somit ihrem Stilmix aus Traumchanson, verrücktester Instrumentierung und jeder Menge in den Songs schlummernden Wünschen hinaus Richtung nicht enden wollenden Horizont zu entsenden. Als ich mich dann bei „Moon and Moon“ umdrehte um die Reaktionen des Publikums zu vernehmen, und auch noch den schon leicht am Himmel sichtbaren Mond wahrnahm, da war dies die perfekte Ergänzung. „Daniel“ setzte dann den Schlusspunkt hinter diese, künstlerisch auf allen Ebenen wertvolle, Darbietung. Ein wunderbarer Openingact für einen Tag, der sich dann aber hauptsächlich vor der Pitchfork Bühne abspielen sollte, und somit im Reich der jungen Wilden.

Das crazy Gesicht

Ich machte mich im Anschluss direkt auf den Weg zu den verrückten Vivian Girls, erspähte aber nur mehr drei Songs, dafür aber einen weiteren Crystal Antler. Sexual Chocolate gab bei der Girlsgroup nämlich den Mann am Tambourine und passte hervorragend ins Bild. Das die Mädels ein bisschen außer sich waren hatte dann aber wahrscheinlich doch andere Gründe. Lower als Low-Fi wirkte das Herumgewerke da vor meinen Augen. Als ob man gerade die zweite Stunde der „Wie nehme ich ein Instrument in die Hand – Lektion“ absolviert hatte. Beim letzten Song wurde dann noch fliegender Instrumentenwechsel vollzogen, was erst recht zu einem Chaos führte, ehe man dann mit Knicks die Bühne verließ. Sehr sexy und als schlecht würd ich es dann doch nicht bezeichnen, schon eher als lustig – aber das soll Musik ja auch sein.
Danach verlief ich mich ein bisschen, blieb in ewig langen Gesprächen mit wildfremden Personen hängen, genoss die letzten Sonnenstrahlen und entspannte ein wenig. Nebenbei warf ich einen Blick auf Spiritualized, die ich ja nicht sonderlich gut kannte, die mich aber nicht erst aufgrund ihrer Coverversion von UB40´s „Can´t help falling in love“ überzeugten.
Pünktlich und mit wieder geschärftem Wahrnehmungssinn fand ich mich dann vor der Band wieder, die den wahrscheinlich besten Indie Soundtrack für den bevorstehenden Sommer abliefern.
The Pains of Being pure at Heart. Eine nicht nur aufgrund ihrer Musik durch und durch sympathische Bande. Was mich hier wirklich wunderte, und wo ich teilweise meinen Vorurteilen bezüglich der Musikwahrnehmung der Spanier eines besseren belehrte wurde, war, dass es fast keine Nummer gab, bei der nicht lauthals mitgesungen wurde. Davon waren auch die New Yorker sichtlich beeindruckte, und ließen sich zu Aussagen mit hohen authentischen Emotionswerten hinreißen.
„This is our first time ever in spain, and you all make us incredible happy right now. Thank you so much.“ - Klingt plump, kam aber sichtlich direkt vom Herzen.

Das aller, aller schönste Gesicht

Was ich dann bis zum Beginn der Crystal Antlers machte, das ist mir bis jetzt noch nicht eingefallen. Wenn ich mir den Timetable aber so anschaue, kann ich jeden zu dieser Zeit performenden Act mit hundertprozentiger Sicherheit von meiner Liste der gesehen Gruppen streichen. Irgendwie verblüffend, aber soll so sein. Mit den Gedanken war ich den ganzen Tag sowieso schon bei den Wahnsinnigen aus Long Beach. Das diese dann aber so extrem anfuhren, das war schon schwer zu verkraften. Fegten die Crystal Antlers bis dato zu fünft von einem Gig zum anderen, so verwandelten sie sich aufgrund des seit geraumer Zeit auch live an der zweiten Gitarre hantierenden Errol Davis diesmal zu einem Hurrikan der Stufe Sechs. Unpackbar welchen Schalter diese Herrschaften einfach ohne lang herum zu fackeln vor einem Gig umlegen müssen. Mit den Hand in Hand gehenden Opening-Tracks „Painless Sleep“/„Dust“ rüttelten sie Diejenigen, welche vielleicht noch immer bzw. schon wieder nicht die Augen aufkriegen konnten, ordentlich munter. Der Staub legte sich aber keine Sekunde, im Gegenteil. „Andrew“ wurde angerufen um auch noch den Soul mitzubringen, wodurch alle auch noch anfingen mit den Hüften zu kreisen, während eine Hand permanent nach den Sternen griff. Der Gig mutierte zu einem absoluten Highlight in meiner endlosen Konzertliste. Den besten Schlusssong der neuen Zeitrechnung im Rock´n´Roll hatten sie mit „Parting Song for the torn sky“ ja sowieso schon auf ewig und einen Tag inne. Dass sie dann auch noch die komplette Vivian Girls Belegschaft plus die mitgereisten Freunde als Verstärkung auf die Bühne holten, dass wird so schnell nicht mehr passieren, schon gar nicht in Spanien. Das Konzert endete somit also im programmierten Donnerwetter, mich streifte ein Blitz und dem Herrn neben mir ging im wahrsten Sinne des Wortes einer ab. Was sollte da noch kommen, außer dem üblichen Pfeifen in den Ohren.

Das bärtige Gesicht

The Mae Shi zum Beispiel. Doch alles was jetzt noch folgte, egal wie grundlegend unterschiedlich die Musik auch sein mochte, wurde automatisch an dem Sextett von der Westküste gemessen. Drum werde ich dieses Konzert auch nur als eine Gradwanderung zwischen Geniestreichen, und absolut für mich unvertretbaren Wahnsinn im negativen Sinn, beschreiben.
Außerdem wartete Jarvis Cocker ja schon auf der Estrella Damm Bühne, der Größten des Festivals. Den kannte ich zwar auch nur flüchtig, das neue Album hatte sich aber dank Freund Ostermann noch rechtzeitig zur Dauerrotation in meine Playlist geschlichen. Und obwohl uns wirklich viele Acts einen eher verwaschenen Sound auftischten, eine Sache auf die ich auch noch keine Antwort gefunden habe, so glänzte Kollege Cocker mit dem genauen Gegenteil. Glasklar, kräftig und eigentlich das homogenste Konzert abliefernd, präsentierte sich der Ex-Pulp. Hier konnte man alles wieder finden. Er zeigte uns, dass man auch auf der winzigsten E-Gitarre den straightesten Blues spielen kann, ließ das Teil kreischen, erschuf mit „Leftovers“ den perfekten Song um sich gegenseitig im Reich der Zärtlichkeiten austauschen zu können, stolperte salopp mit dem Mikro in der Hand über die Bühne, und auch das ihm sein Discooutfit gut stand, präsentierte er uns im vorbeigehen. Nebenbei lernte ich zusätzlich zu „Andrew“ und „Daniel“ auch noch „Angela“ kennen. Wunderbar, und somit war die Runde fast komplett. Dass dies alles vom stilsichersten Abgefuckten kam, das war schon ziemlich lässig. Und weil ich mich so wohl fühlte in seiner Nähe, zog Shellac leider den Kürzeren.

Das zerstörte Gesicht

Danach ging bei mir nicht mehr viel, verbündete ich mich mit einem Fotografen und wir machten gemeinsam das Gelände ein bisschen unsicherer. Bloc Party würdigte ich dann aber doch noch einen kurzen Abstecher. Jedoch ohne jegliche Erwartungshaltung, war dann aber positiv überrascht, obwohl das Publikum schon sichtlich erledigt zu sein schien. Kele Okereke hatte jedenfalls so seine Mühe ein paar Funken überspringen zu lassen.
Dann war aber endgültig Schluss mit Gitarren. Kam ja in letzter Zeit nicht sehr oft vor, dass ich mir gleich mehrere Stunden am Stück Bands im klassischen Sinn angesehen hatte. Viel eher beschränkte sich das auf zwei Turntables und technoide Beats. Drum beendete ich meine Phase des Aufnehmens und Verarbeitens, holte die Segel und den Anker ein und ließ mich ein bisschen treiben. Als dann gegen sechs Uhr Morgens Michael Mayer seine letzten Tunes durch die Boxen jagte, da begrüßten uns schon wieder die ersten hellen Fetzen am Himmel. Guten Morgen Spanien und diesmal ging´s mit der Metro ab in die Federn.

Die Gesichter und mehr gibt´s hier:

PRIMAVERAPIX

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