Freitag, 26. Juni 2009

Sónar ? – was ist das??? - Ein minimaler Streifzug durch das elektronisch aufgeladene Angebot an Alternativmöglichkeiten.


Vamos

Das Sónar, eines, wenn nicht sogar das, bekannteste Festival der Welt, wenn es um den Tenor Elektro geht. Das Line-Up ließ jedenfalls wieder einmal nicht viel Spielraum für nicht in Erfüllung gegangene Wünsche. Doch es ist ja immer das Gleiche. Hat man erst einmal das was man sich wünscht, muss man auch mal damit zufrieden sein, damit glücklich werden - und zwar so richtig. Also ich muss das, alles andere lasse ich einfach nicht mehr zu.
Ich bin aber draufgekommen, das mich viel kleinere „Geschenke“, Spontanitäten oder Dinge, denen man auf den ersten Blick keine große Bedeutung zuschreibt, um Eckhäuser mehr erfreuen als der ganze Rest. Und weil es mir gerade wenig ausmacht, das ich finanziell anders haushalten muss, ich das sogar passend finde und mich dementsprechende anders entwickle, war das viel gehypte Sónar nicht einmal einen Gedanken am Rande wert.
Tja, unglaublich, und vor nicht all zu langer Zeit echt noch nicht vorstellbar.
Wurde ich nämlich in der Vergangenheit des Öfteren in letzter Sekunde aufgrund eines Artisten schwach und schlug doch noch am Ticketschalter zu, so blieb dieses Gefühl diesmal komplett aus. Am qualitativ hochwertigen Angebot lag es logischerweise nicht. Viel mehr am anderen Blick, den ich, sicherlich auch aufgrund meines derzeitigen Umfelds, erstmals angefangen habe zu entwickeln. So schreckten mich nicht nur die Eintrittspreise ab (obwohl der übliche Festivalschnitt), sondern auch die eine oder andere Sache, die mir das Sónar einfach nicht bieten konnte, welche für mich aber noch viel mehr der Vorstellung meines hier und jetzt entsprechen würden. Die einfach die harten Ecken des riesigen Bildes abrunden, und es dadurch zu einem frischen, bunten Aquarell machen würden.

La ciudad electrónica

Für viele mag Barcelona gerade die Traumstadt sein, das must see im bevorstehenden Sommer. Wenn sich dich Möglichkeit ergibt, das auch noch mit einem Festival zu verbinden, dann ist das natürlich in doppelter Hinsicht sehr erfreulich. Man ist im Normalfall aber nur ein paar Tage in der Stadt, so wie schätzungsweise eine Million andere auch. Und da sind wir auch schon bei einer Sache, die mir in den letzten Tagen mehrmals widerfahren ist. Der Partytourismus. Eine Sache, die hier allgegenwärtig ist, das ganze Jahr über. Zum Zeitpunkt des Sónar aber regelrecht aus den Fugen gerät.

Ich sehe Reisen als extrem wichtigen Bestandteil im Leben an. Nichts auf der Welt kann Türen in so einer Art und Weise öffnen, Sachen verständlich machen und einen auf den Boden zurück holen, wie der Blick hinaus über den (österreichischen) Tellerrand. Ich bin auch schon der Musik zu Liebe in verschiedenste Städte und Länder gereist, hab mich aber jedesmal probiert in den Flow dieser zu schmuggeln. Das funktionierte immer wunderbar und ich hatte nicht eine Sekunde ein negatives Erlebnis. Das wiederum stelle ich klar als keinen Zufall hin, sondern führe das schlicht und einfach auf das verständnisvolle und respektvolle Verhalten gegenüber der Stadt und den Leuten zurück. Spaß hab ich jedes Mal mehr als zur Genüge gehabt, von den Freundschaften, von denen mittlerweile manche zu sehr intensiven aufgestiegen sind, ganz zu schweigen.
Irgendwann bin ich dann aber zum Dauergast geworden und sehe mich immer mehr als jemand, der eine andere Funktion erfüllt, nicht die des Touristen eben – das ist ein logischer Prozess. Daher nehme ich auch verschiedenste Verhaltensmuster der Leute anders auf. Ein bisschen sensibler, weil ich zu spüren bekommen habe, wie es sich anfühlt, wo mit offenen Armen aufgenommen, respektiert zu werden. Wenn man sich selber treu bleibt.
Dieser Tage brauchte man wahrlich kein Spanisch zu sprechen um hier Kontaktpflege zu betreiben. Die Frage ist nur, ob man soviel Kontakt überhaupt will. Ich brauch das nicht, auch weil es sich oft um eine Klientel handelt, mit dem ich mich sowieso noch nie identifizieren konnte. Und auch wenn alle das Sónar als Hauptgrund angeben, so haben viele von ihnen den eigentlichen Grund für die Reise schon viel länger für sich deklariert – das Festival ist da nur mehr die Eintrittskarte, die „Legalität“ quasi.
Alles kein Problem für mich. Jeder soll sich wohlfühlen, soll sich von mir aus ordentlich durch alle Orbits und Monde schießen lassen - ist ja auch reisen. Aber auf der Erde, da schlängelt man sich leichter durch, wenn man ein paar simple Sache befolgt. Mädels dürften das von Natur aus besser intus haben als Burschen.
Es ist halt mühsam, wenn man im Sekundentakt von besoffenen deutschen C.F. Barcelona Fans, die halt die ausgiebigen Feierlichkeiten von vor drei Wochen versäumt haben, und glauben erst jetzt ihren Beitrag offenkundig leisten zu müssen, durch den Tag begleitet wird. Das Selbe gibt es natürlich auch mit österreichischem Akzent. In beiden Fällen kommen dann noch die peinlichen Stadiongesänge in der Muttersprache hinzu. Generell glaubt jeder, er müsse der Coolste in der Stadt sein. Wie so jemand ausschaut, das weiß ich nicht. Eine fette Uhr, mächtige Sonnenbrille, unter Haut gebannte Osterinselaffinität, Bräune um die Nase und Flip-Flops an den Sohlen machen´s aber garantiert nicht aus. Viel mehr muss sich das anfühlen, als ob jemand mit einem Spiegel vor einem her läuft. Scheint der Trend dieser Tage zu sein. Wenn man in meinem Fall auch noch Ohrenzeuge der einen oder anderen Konversation wird, doppelt bitter. Kräftige Unterstützung kommt da auch noch von Engländern bzw. Iren. Mit dem Unterschied, dass man hier auch schon vormittags nur/noch immer/schon wieder Leichen sieht – mit knallroter Körperfarbe halt. Und weil ich gerade das Vergnügen habe Leute mit einem Rickshaw die Strandseite Barcelonas entlang zu chauffieren, bekomme ich das ganze vielleicht noch einen Deut extremer mit. Einheimische weichen dem ja sowieso gerad aus. Man hat ja Zeit, eine Sache, die all jene trotz Urlaubs nicht zu haben scheinen. Vielleicht ja dann wieder daheim…..

Oferta

Das Angebot an elektronischer Musik in Barcelona ist eigentlich das ganze Jahr über ein noch nie zuvor gesehenes Phänomen. Was sich aber in der Stadt herum tummelt wenn das Sónar Wochenende ansteht, das ist echt gewaltig. Es gibt nicht viele renommierte Dj´s, die dieser Tage nicht in Barcelona Halt gemacht haben um uns mit fetten Beats den Tag bzw. die Nacht zu versüßen.
Viele von ihnen boten uns im Zuge von diversen Off-Sónar-Fiestas alternative Möglichkeiten an, um ohne, bzw. mit sehr viel weniger Geld ein unvergessliches Wochenende bestreiten zu können. Die Palette war reichlich, einen winzigen Auszug gibt’s hier.
Ich nahm mir eigentlich vor, ein paar dieser Festivitäten zu besuchen. Aber planen ist auch so eine Sache, die hier mehr schlecht als recht funktioniert, drum kommt man am besten ohne diesem Wort aus. So hab ich´s nur auf eines der vielen geschafft, das war aber die mit Sicherheit wunderbarste Nacht der letzten 27 Jahre.

Musica

Wer es schon nicht mehr erwarten konnte, der eröffnete ein musikgeschwängertes Wochenende bereits am Donnerstag. Ort des Geschehens war der Club Mondo am Port Vell. Brainfeeder nannte sich die Veranstaltung, und hätte ich an meinem ersten Arbeitstag auch wirklich etwas verdient, dann hätte ich mir Flying Lotus auf keinen Fall entgehen lassen. So bin ich aber doch mit Mexico im Sugar hängen geblieben.
Ein Happening, welches eigentlich fix eingeplant war und von Leuten aus meinem Freundeskreis organisiert wurde, war das Save the Day. Wie der Name schon sagt, eine Veranstaltung die einem über den Tag retten sollte. Das Line-Up war eher mit Insidernamen bestückt, soll aber mächtig abgegangen sein. Begonnen wurde jeweils um 11 Uhr vormittags und mit 15 Euro (inkl. einem Getränk) war man auch schon dabei. Platz des Geschehens war das Maremagnum, ein im Hafen von Barcelona schwimmender Komplex und eigentlich mehr Einkaufszentrum, Restaurant-Tempel und Touristenmeile. Um drei Uhr morgens war aber Schluss. Danach stand einem die ganze Nacht zur Verfügung.
Wollte man dann doch zu einer Party wo einem Dj´s mit geläufigeren Namen die Soundfetzten um die Ohren hauten, so konnte z.B. der gute alte Helmut für Abhilfe sorgen. Wo dieser Name auftaucht, da ist aber leider auch die Society meist nicht weit – so auch in den folgenden Fällen. Er und sein Label International Gigolo Records hatten es sich nämlich gleich drei Tage lang in Barcelona gemütlich gemacht. Hier wäre der Freitag interessant gewesen, aber nachdem das legendäre Fellini leider auch ein Opfer des (wahren) Clubsterbens wurde, und seither der billige Name Boulevard Culture Club Richtung Rambla leuchtet, war dass ein Grund mehr nicht dorthin zu gehen. Erinnerungen muss man ja nicht zwanghaft zerstören, auch wenn meine heißgeliebte Trainingsjacke dort seinerzeit einen neuen Besitzer fand. Das Showcase im Mondo wäre sicherlich auch eine Reise wert gewesen. Der Club wirkt aber so abgehoben, dass der einzige Grund dort jemals einen Fuß hinein zu setzten wahrlich Flying Lotus gewesen wäre.
Weil er aber auch an das Partyvolk mit Weniger im Börsel dachte, gab´s die eigentliche Labelparty dann am Sonntag, allerdings ein wenig außerhalb, dafür aber mit Strand vor der Tür und erschwinglich. Einen Steinwurf von der angesprochenen La Casita del Mar entfernt befindet sich auch ein Ort Namens Chiringuito Calamar. Handelt es sich bei der La Casita noch um einen begrenzten (open air) Club, so sucht man die Mauern im zweiten Fall vergeblich. Und das ist auch gut so. Beide Locations befinden sich in Sichtweite zum Flughafen. Dieses Gelände nennt sich Circuit Prat und gehört zu El Prat de Llobregat, ein kleines Dörfchen ca. 30 Minuten vor der Stadtgrenze Barcelonas. Eigentlich gibt es dort nicht viel außer brache liegendes Land, das im Meer seine natürlich Grenze findet. Und Flugzeuge.
Chiringuito Calamar ist, wie der Name schon verdeutlicht, eine Imbissbude, die mitten am dortigen Strand positioniert ist und mit Sicherheit der Ort, den ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde. Mag das für viele Einheimische alles das Normalste auf der Welt sein, so kickte mich als Binnenländler etwaiges ordentlich.
Der Dj stand dort lediglich hinter einem Holztischchen und blickte aufs schätzungsweise 70 Meter entfernte Meer, die Crowd tanzte irgendwo dazwischen oder im Wasser, turnte akrobatisch in schwindelerregende Höhen auf irgendwelchen Geräten des ebenfalls am Strand platzierten Kinderspielplatzes oder schlief seelenruhig auf einer Plastikpritsche in mitten der aufgewühlten Menge. Wunderbar und wenn ich an die Schlammschlachten denke, die sich irgendwelche Proleten auf diversen Festivals in Österreich oder Deutschland zur selben Zeit lieferten, da muss ich mit recht schmunzeln.
Der Grund meines Besuches war der zehnte Geburtstag vom Berliner Label BPitch Control. Und wie es der simple Satz auf deren Seite schon auf den Punkt bring - „Berlin has it all…“. Das Line-Up versprach auf jeden Fall großartiges. Mit der Labelchefin Ellen Allien, Sascha Funke und Paul Kalkbrenner konnte nichts mehr schiefgehen. Das Ganze war auch noch gratis.
Ein Ausgesprochen unbeschreibliches Gefühl, wenn man stundenlang barfuß im Sand tanzt, sich dann irgendwie ans Meer schleppt und in ein Leintuch gehüllt mit einer Mischung aus Meeresrauschen und freshestem Techhouse umspült wird. Dazu noch Bunte Laser, welche die Geburtstagsnacht in tausende Stücke zerschnitten und Flugzeuge, die über unseren Köpfen hinweg donnerten, dass man glauben mochte, sie mit einem geschickten Handgriff vom Himmel holen zu können. Irgendwann vermischten sich dann die Beats mit den ersten Sonnenstrahlen und auch ein paar Regentropfen gesellten sich dazu. Als dann auch noch „Walking on a Dream“ von Empire of the Sun in den allerletzten Tune verpackt wurde, da fehlten nicht nur mir die Worte. Nach minutenlang anhaltendem Toben der Menge wurde dann plötzlich noch einmal der Schalter umgelegt, um ein letztes Mal diesen Satz abzuspulen. Laut und genial. Ich hätte mir niemals gedacht, dass es den (fast) perfekten Tag gibt, offensichtlich hatte ich aber das Glück, einen solchen zu erleben. Im Nachhinein kann ich nur sagen: Rubin, du hättest den Shuttlebus abwarten sollen.

Auch Ricardo Villalobos fand sich unter anderem abseits des Sónar in der Stadt ein. Im Zuge einer Cocoon Nite im Kanna Beach Club gab er uns sein Können zum Besten während im Sugar Beach Club M.A.N.D.Y.und Thomas Schuhmacher an den Reglern drehten. Diverse Labelnights gab es selbstverständlich das ganze Wochenende über an den verrücktesten Plätzen der Stadt, und waren meist eine sichere Adresse für berauschende Nächte.
Auch in den unzähligen Clubs des Stadt wurde ein riesiges Alternativprogramm geboten.
Wie schon erwähnt, könnte man die Liste der Off-Sónar Aktivitäten und Dj´s ins schier unendliche ausdehnen. Wen sich wer im Nachhinein einen detailierten Überblick machen will – hier gibt’s einen Link.

El Resultado

Ich kann nach diesem Wochenende im Ausnahmezustand ein positives Résumé ziehen. So viele neue Eindrücke gehören jetzt erst einmal wieder verarbeitet. Und wie könnte das besser funktionieren, als wenn man sich damit auseinandersetzt.
Vieles vom Geschehenen wird sowieso für immer in die bunte Kiste gesperrt und auf ewig gehortet. Anderes muss man einfach gleich wieder verwerfen, sich keine weiteren Gedanken mehr darüber machen.
Die am Dienstag stattgefundene Fiesta de Sant Joan, der Beginn des eigentlichen Sommers, war so ein Erlebnis. Streichen kann ich es nicht mehr, daraus lernen schon - und hab es auch schon getan.
In diesem Sinne – Auf einen lehrreichen Sommer!!

Übrigens: Fotos wurden zwar von mir gemacht, aber ich deute es als ein Zeichen, dass die Batterien meiner LOMO just an diesem Abend ihren Dienst einstellten.
Ein Tag, der sich ab sofort somit nur mehr in meinem Kopf abspulen lassen wird - wunderbar

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen