Donnerstag, 24. Dezember 2009

Red Lights Flash sind wieder unterwegs, und gaben mir Einblick in deren Gedankenwelt anno 2009


Ich stell die Frage nach der Blitzfarbe relativ oft. Lomografieren ist nämlich mein Leben, und das sollte bitte spaßig bleiben, egal wie farblos da draußen alles zu sein scheint. Man muss dem halt entgegenwirken, sich vorbeugend schützen. Unzufriedenheit ist da der erste Schritt zum Erfolg, nur anfangen zu gehen, das muss man schon selbst. Red Lights Flash haben´s uns vorgemacht, und auch gleich eine Brücke geschlagen. Am anderen Ende fand sich nach fünfjähriger Bauphase dann For Your Safety, ein Album, deren Titel Programm ist. Bitte persönlich nehmen! Man ist einer besseren Welt nach diesen fünfzehn wirklich facettenreichen Songs auf jeden Fall ein schönes Stück näher gekommen. So, und jetzt bitte wieder lächeln! Darf´s ein bisschen mehr rot sein!?

Was haben Red Lights Flash die letzten fünf Jahre gemacht? Wurde permanent am neuen Album gearbeitet? Ich nehme an,jeder von euch hat auch anderswertige Verpflichtungen?

Nachdem wir 2004 Free… auf AF-Records veröffentlicht haben sind wir viel auf Tour gegangen. Unter anderem mit Rise Against, ein paar Touren mit Antiflag, A Wilhelm Scream, Strike Anywhere und haben dann eigentlich ziemlich früh mit den Arbeiten zu For Your Safety begonnen. Wir haben uns die Latte aber extrem hoch gelegt, weil wir eben schon seit elf Jahren als Band und in dieser Besetzung zusammenspielen und echt etwas machen wollten, das für uns eine neue Stufe darstellt.
Dadurch, dass wir die Band nicht hauptberuflich machen können, haben alle ein Leben neben der Band, auch abgeschlossene Studien und sind im Musikwesen oder in anderen Bereichen aktiv.

Trotzdem sind fünf Jahre eine lange Zeit…

Wir wollten aber, dass das Album perfekt wird, haben vielleicht wirklich zwei oder drei Pre-Productions zu viel gemacht und da mehr „Less Talk, More Rock - Attitüde“ walten lassen müssen. Rückblickend kann man halt sagen, dass es zwar lange gedauert hat, wir aber 100% zufrieden sind. Es ist wirklich das Beste was wir bis jetzt gemacht haben und auch die Resonanzen sind bis dato überwältigend.
Viele Leute reagieren so, indem sie sagen, RLF klingen wie RLF, das ist ein eigener Sound und das ist das beste Kompliment, das man als Band bekommen kann.

Songs wie „End Of History“ konnte man auch schon auf der Provokant Wertvoll - Split EP mit Rentokill aus dem Jahre 2006 finden. Müssen solche Hits so lange liegen bevor sie es auf ein Album schaffen, ist da der Anspruch bandintern sehr hoch?

(Lacht) Man kann sagen, das ist ein Song, der das alte RLF in die For Your Safety – Ära hinübergetragen hat. „The End Of History“ ist genau dieser Übergang vom alten Style in die neue Richtung wo wir uns wohlfühlen.

Wie haben sich RLF in der neuen Ära verändert, was wird anders gemacht, wie geht man jetzt an die Sache heran?

Wir haben uns noch mehr mit Songwriting, den Texten und dem Thema, wie man diese beiden Komponenten bestmöglich zusammenbringen und viele Leute berühren kann, beschäftigt. Ebenfalls viel mit den Stimmen.
Musik ist ein wunderbares Instrument um etwas zu bewegen. Wir sind eigentlich mit dem Satz „Let Feelings Talk“ an die Aufnahmen herangegangen, wollten nicht nur, so wie bei den letzten Alben, wirtschaftliche oder sozialpolitische Probleme ansprechen, sondern ein bisschen mehr von uns preisgeben. Das Ganze auf eine andere Eben hieven, eine Persönlichere, Erwachsenere.
Man muss schauen, dass es interessant bleibt. Wir wollen keine Band sein die zehn Jahre das Gleiche macht. Nichts gegen andere Bands die das machen, die ihre Nische gefunden haben und das auch durchziehen, das ist super. Uns reicht das nicht, wir orientieren uns vielleicht mehr an so Bands die in kunstvollere Richtungen gehen, so wie Dredg zum Beispiel. Wir versuchen einen Brückenschlag zu machen, und haben das mit For Your Safety meiner Meinung nach gut geschafft. Es ist facettenreicher.

Euer aktuelles Album For Your Safety wurde über das selbst gegründete Label RLF - Records released. Was war ausschlaggebend dafür? Habt ihr trotz wirklich guter Kontakte kein Label gefunden das euren Vorstellungen entsprochen hat, oder war es ein logischer Schritt um den DIY-Gedanken ebenfalls auf ein neues Niveau zu heben?

Wir haben einfach kein Label gefunden, das uns das bieten konnte, was nicht über unser eigenes Netzwerk hinaus geht. Dieses ist stetig gewachsen, wir haben Kontakt zu großen Bands und sind befreundet mit wirklich wichtigen Personen in dem Business.
Die Sache ist aber, dass sich AF-Records und Fat Wreck Chords aus Europa zurückgezogen haben, auch Burning Heart ist aus Berlin wieder weg. Die Situation für Labels ist wirklich nicht gut zur Zeit, es hat keiner Geld, du musst dir die ganze Aufnahme sowieso schon selber zahlen, was sich halt bei diversen Produktionen über zehntausend Euro erstreckt, und dann bieten sie dir an, dass sie die Pressung zahlen, geben dir ein keines Promobudget und du musst die ganzen Rechte aufgeben.
Dadurch, dass wir schon so lange dabei sind und ich mich selbst viel mit Musikmanagment beschäftige, war das ein logischer Schritt. Gerade in Zeiten von Krisen muss man sich selbst auf die Beine stellen, somit eine logische Weiterführung des DIY - Gedanken, der uns schon seit elf Jahren begleitet.

Werden in Zukunft auch andere Bands über RLF - Records releasen?

Es kann sicher als Plattform für diverse andere Projekte dienen, primär geht es uns aber einmal darum, unsere Musik selber vertreiben zu können, dass wir einfach die Kontrolle über das Ganze haben. Wir lizensieren das Album jetzt in verschiedenen Territorien an andere Labels, die Rechte bleiben bei uns, der Vertrieb für z.B. Italien geht dann über ein anderes Label, im konkreten Fall No Reason Records.

Kann ich das Album auch schon in Deutschland beziehen?

Das Album ist überall beziehbar. Auf Amazon kann man es bestellen, und es ist weltweit in den I-Tunes - Stores downloadbar. An einem Vertrieb in Deutschland arbeiten wir noch, das hat aber aus den genannten Gründen vorerst einmal nicht funktioniert.

RLF und Rentokill sind hart tourende Bands. Bertl (Drummer Rentokill) meinte, dass es trotz 120-130 Shows im Jahr und wirklich guten Slots in ganz Europa verdammt schwierig ist, was die finanzielle Situation betrifft. An nebenbei Arbeiten ist aber auch nicht zu denken. Was macht ihr für eure eigene Sicherheit?

Es sind immer zwei Seiten. Das was Rentokill machen, haben wir ja auch schon alles gemacht. Wir haben aber einfach gemerkt, dass, wenn wir weiter so viel spielen, wir uns auflösen werden. Es ist unglaublich anstrengend wenn du so viel unterwegs bist, nach Hause kommst, und deine Rechnungen nicht bezahlen kannst.
Wir haben gesagt, wir wollen einfach mit unserer Musik glücklich sein, und das können wir nur, wenn wir unser Leben mit der Band das wir die letzten Jahre geführt haben, ins Leben als 30 Jährige rüberbringen.
Deswegen konzentrieren wir uns mehr auf die Musik. Wir wollen darin wachsen, auch vermehrt in die künstlerische Richtung gehen und dann Konzerte spielen die uns persönlich wichtig sind, wo es um uns geht und nicht, so blöd das auch klingt und wir haben das wirklich auch jahrelang gemacht und es war super, an einem Dienstag irgendwo in Nottingham vor fünfzehn Leuten.
Man muss sich abheben vom Rest, sonst ist man eine von den tausenden Bands die von einem Pub ins nächste tingeln. Es ist für eine Band wie uns 2009 einfach nicht mehr möglich 150 Shows zu spielen.

Einen befriedigenden Mittelweg zu finden ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. Muss man den Begriff Musik für sich selbst neu definieren?

Musik ist eine wunderbare Kunstform. Man muss sich schon die Frage stellen: „Wie kann ich nach elf Jahren noch interessant sein, wie werde ich nicht langweilig“.
Da haben wir wirklich hohe Ansprüche an uns selber und sind auch sehr selbstkritisch, was uns sicherlich auch Steine in den Weg gelegt hat. Vielleicht hätten wir als wir auf AF-Records waren, wo genau diese Schiene gefragt ist, das viele Spielen, genau das machen können. Immer nur das. Wir sind da aber ein bisschen anders und ich bin froh, dass wir es sind. Es ist einfach viel interessanter wenn nicht ein Album wie das andere klingt, Bands stetig wachsen und sich neu erfinden.
Das dies nicht der leichteste Weg ist, das ist klar. Für uns war 2008 und 2009 sehr hart, und es ist sicherlich schwierig für einen 20 Jährigen das zu verstehen, aber wenn du 30 bist, dann weißt du besser was dir das Leben alles bringen kann, und irgendwann ist Easy-Easy-Party halt vorbei.

Wie seid ihr auf das Albumcover gekommen. Ihr habt Dürers Hände aus dem Jahre 1508 um vier Finger erleichtert! Ich habe den Artwork-Gedanken von der künstlerischen Seite her aufgerollt, sehe darin das Gegenteil von Humanismus, jener Epoche, in der Dürer der bedeutendste Künstler war, und deren Kernfrage aktueller kaum sein könnte. Ich bin aber bekannt für komplizierte Denkansätze!!

Werner (Bassist und Sänger) beschäftigt sich sehr viel mit Kunst. Er hat immer schon die Artworks und Merchlinien entworfen.
Die betenden Hände die zur Waffe werden symbolisieren das, was Religionen mit uns Menschen anstellen, wie sehr sie uns beeinflussen und für wie wenig Halt sie verantwortlich sind. Sie werden als Machtinstrument benutzt um Konflikte herbei zu schwören.
Werner hat für diese Platte auf diesem Handschema aufgebaut. Das ganze Artwork, alle Zeichnungen im Booklet, sind durchzogen von der Thematik Glaube und Gewalt in Verbindung mit den Händen.
Wir planen auch gerade Kunstdrucke mit diesen Zeichnungen anfertigen zu lassen, die dann in limitierter Auflage erhältlich sein sollten.

Wie schaut der weitere Plan für 2010 aus. Gibt es schon konkrete Anhaltspunkte für die ersten Monate? Ich nehme an ihr seid fleißig am Tour organisieren?

Wir arbeiten in Österreich mit Novamusic zusammen, genauer gesagt mit Thomas Zsifkovits, der 1998 schon unsere ersten größeren Supportsachen gemanagt hat. Mit For Your Safety sind wir wieder mit ihm in Kontakt gekommen und der macht uns jetzt die Shows in Österreich und ich glaube, da werden wir in nächster Zeit auch echt coole Sachen spielen.
Was international kommt, kann ich noch nicht sagen. Wir sind natürlich dran an Touren, werden im März Italien und Frankreich machen, mit Uncommon Men From Mars. Dann schauen wir weiter.

Ist Amerika aufgrund eurer Kontakte ebenfalls ein Thema?

Ganz schwierig. Wir haben das schon probiert zu realisieren, als wir noch auf AF-Records waren, aber die Kosten sind einfach immens hoch, sodass sich das keine Band und kein Label leisten kann. Es wäre nicht das Ding da rüber zu fahren und Shows zu spielen, nur bringt das so nichts. Wenn du dort drüben Fuß fassen willst, musst du acht Monate im Jahr in Amerika spielen.
Es ist ein extrem hartes Pflaster für europäische Bands. Du kannst das als Urlaub machen, ein paar Wochen rüber fliegen, dir die Flüge selbst zahlen und drauf los spielen. Ob dadurch die Band vorankommt, bezweifle ich. Und ich will nichts machen, was der Band nichts bringt.
Wir sind sicher keine Band die ungeplant wo hinfährt und auf „Scheiß drauf!“ spielt. Wenn wir was machen, dann muss das Sinn ergeben, dann müssen wir das Potenzial für uns als Band sehen, dass sich daraus etwas entwickeln kann. Und das ist in Amerika ganz schwierig, weil es sind ja auch nicht gerade wenige amerikanische Bands unterwegs (lacht).
Es wäre super, wenn wir eine große Tour kriegen würden. Antiflag haben uns schon versucht rüber zu holen, wenn du dann aber Kosten von 5000 Euro oder mehr aus eigener Tasche zu tragen hast, dann schaut das Ganze schon wieder anders aus. Dann kannst du dir die nächste Platte nicht mehr so leisten wie du das willst, es ist schwierig.
Wir werden auf jeden Fall probieren For Your Safety auch international so gut wie möglich zu präsentieren. That´s the goal.

Gibt’s eine richtungsweisende LP, eine, nach der die Lust Musik zu machen so richtig an Fahrt angenommen hat?

Nirvana - Nevermind. Ohne diese Platte würde es RLF mit Sicherheit nicht geben. Es hat vorher natürlich Metallica, Guns `n` Roses und jede Menge Metalbands gegeben, aber dann ist Nirvana gekommen….
Wenige Bands schaffen das, sowas kannst du auch nicht planen. Für Millionen von Menschen ist danach ihr Leben anders verlaufen.
Ich wollte unbedingt in einer Band spielen und mir die Welt anschauen. Einfach anders sein. Ohne den Erflog von Nirvana hätte es sicher so Dinge wie Green Day, Rancid, Offspring etc. nicht gegeben. Man kann das als die zweite Punkrevolution sehen. 1977, 1991,…

Was rennt gerade im RLF Tourbus?

Die neue Biffy Clyro. Ich habe sie gestern hier (Anm. Flex/Wien) gesehen und wenn man einmal gehört hat, was die Burschen zu dritt für einen Sound machen, dann versteht man auch, warum sie von Muse als Support mit auf Tour genommen wurden.

Danke für das ausführliche Interview!

Gerne, bis nachher!!

*Antwortgeber war Chris, Gitarrist in RLF.

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